Kulturwissenschaften
Die Konstanzer Kulturwissenschaften bauen auf interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Geschichtswissenschaft, Kultur- und Sozialanthropologie, Soziologie, Philosophie, Psychologie, Linguistik, Literatur-, Medien- und Kunstwissenschaften, Rechtswissenschaft, empirischer Bildungsforschung sowie aus der Politik- und Verwaltungswissenschaft auf. Aktuell widmen sie sich insbesondere im Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung (ZKF) der Untersuchung verschiedener kulturwissenschaftlicher Fragestellungen. Übergeordnet beschäftigt sich das ZKF mit kulturellen Phänomenen und gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozessen. Zu den konkreten Themenfeldern zählen unter anderem Integration und Desintegration, die Migration von Personen, Ideen und ästhetischen Formen, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Erinnerungsorte sowie unterschiedliche Auftritts- und Repräsentationskulturen. Damit knüpft das Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung an die Arbeit des Exzellenzclusters „Kulturelle Grundlagen von Integration“ an, der von 2006 bis Ende Oktober 2019 im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wurde.
Unter dem Dach des ZKFs forschen Konstanzer Kulturwissenschaftlerinnen und Kulturwissenschaftler im Rahmen des Dr. K. H. Eberle-Forschungszentrums „Kulturen Europas in einer multipolaren Welt“ außerdem zu politischen Entwürfen jenseits des Eurozentrismus. Zentrale Fragestellung ist dabei, wie angesichts von globalem Bedeutungsverlust und fortbestehender Vorbild- und Modellfunktion Europas neue Perspektiven auf die Vielfalt kultureller Dynamiken in Europa entwickelt werden können. Das ebenfalls mit dem ZKF assoziierte Graduiertenkolleg „Rahmenwechsel“ fördert den Austausch zwischen Kunstwissenschaft und Kunsttechnologie.
Zudem forschen WissenschaftlerInnen der Universität Konstanz gemeinsam mit Forschenden der Leuphana Universität Lüneburg, der Universität Hamburg und der Zürcher Hochschule der Künste in der DFG-Forschungsgruppe „Mediale Teilhabe. Partizipation zwischen Anspruch und Inanspruchnahme“ (FOR 2252), die ihren Hauptsitz an der Universität Konstanz hat. Mit dem Konzept medialer Teilhabe problematisiert die Forschungsgruppe einen klassischen binären Zugangs- und Inklusionsbegriff, um auf diese Weise die Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Logiken in Bezug auf ihre je spezifischen Zeitlichkeiten, Vernetzungsstrukturen und Vergemeinschaftungen in den Blick zu nehmen. Die bereits in der ersten Förderphase (2015-2018) geleistete Forschungsarbeit wird in der Fortsetzung (2018-2021) stärker kontextualisiert und in konkreten historischen, machtpolitischen, infrastrukturellen und transkulturellen Dimensionen ausdifferenziert.
Ein weiteres Forschungsprojekt des ZKF ist die Forschungsstelle "Historische Poetik und Formtheorie". Diese wurde von Professor Dr. Juliane Vogel aus den Mitteln des ihr von der Deutschen Forschungsgemeinschaft verliehenen Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises im Jahr 2020 gegründet. Die Forschungsstelle widmet sich der Erforschung der normativen Ordnungen vormoderner Poetiken, insbesondere der Regeln der Gattung sowie ihrer Transformationen in Kunst und Literatur der Moderne; in Zentrum steht ebenfalls die Formtheorie der Moderne und ihre Auswirkungen auf ästhetische und kulturelle Formbildungsprozesse. Ziel ist es, Regelpoetik und Formtheorie historisch und systematisch miteinander in Beziehung zu setzen, ihrer wechselseitigen Erhellung zuzuführen und zugleich das Verhältnis von Formtheorie und Formpraxis zu untersuchen.
Die Konstanzer Kulturwissenschaften beteiligen sich an dem bundesweiten Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), einem seit dem 1. Juni 2020 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Institut. In seinem Rahmen erarbeiten mehr als 100 WissenschaftlerInnen aus vielen verschiedenen Disziplinen mit empirischen Untersuchungen und großangelegten Vergleichen praxisrelevante Vorschläge, die dazu beitragen können, gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Das kulturwissenschaftlich ausgerichtete Konstanzer Teilinstitut widmet sich vor allem den gegenwärtigen Dynamiken des Zusammenhalts und seiner Gefährdung. Es vereint rechts-, literatur- und medienwissenschaftliche mit historischen, ethnologischen und soziologischen Fragestellungen. Bei ihren Untersuchungen isolieren die Konstanzer ForscherInnen keine im engeren Sinne kulturelle Dimension, sondern beobachten sozioökonomische, politisch-institutionelle und kulturelle Prozesse in ihrem Zusammenwirken.
Was fördert den Gemeinsinn, was bedroht ihn? Dieser Frage widmet sich das von der Dr. K. H. Eberle-Stiftung geförderte Projekt „Gemeinsinn: Was ihn bedroht und was wir für ihn tun können“. Die Forschenden verstehen Gemeinsinn als etwas übergreifend Gemeinsames, das jenseits von der Herkunft Verbindungen herstellt und neue Zugehörigkeit schafft. Sie untersuchen zum Beispiel, wie die Zivilgesellschaft mit der zunehmenden Gefahr durch Gruppierungen umgehen sollte, die sich nicht als Teil einer solidarischen Gemeinschaft verstehen, sondern Gegengesellschaften entwerfen, die auf Ausgrenzung und Hass gründen.
Die Forschungsgruppe „Dimensionen der techne in den Künsten. Erscheinungsweisen – Ordnungen – Narrative“, in Kooperation mit TU Berlin, Universität Köln, Goethe-Universität Frankfurt/Main und Karl-Franzens-Universität Graz widmet sich der Prämisse "Kunst wird nicht nur gedacht, sondern auch gemacht". Die mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsgruppe beschäftigt sich mit dem künstlerischen Werkprozess und den Faktoren, die diesen Werkprozess ermöglichen. Ziel des Verbundprojekts ist es, den Fragehorizont zum künstlerischen Prozess zu erweitern und die Materialität der Objekte, die sich in digitalen Oberflächen aufzulösen droht, als Speicher von Handlungen und Wissen für die kunsthistorische Forschung zurückzugewinnen.
In der von der NOMIS-Foundation geförderten Forschungsgruppe „Traveling Forms“ untersuchen Konstanzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ethnologie und Literaturwissenschaft gemeinsam mit externen Fellows transkulturelle Wanderbewegungen von Formen.