NOMIS-Forschungsprojekt “Traveling Forms

Das Forschungsprojekt „Traveling Forms“ befasst sich mit der grenzüberschreitenden Mobilität kultureller, insbesondere ästhetischer Formen. Es geht von der Annahme aus, dass solche Formen sich im Zuge ihrer Ortsveränderung bilden und stabilisieren, aber auch wandeln und auflösen können.

Mit diesem Ansatz möchte das Projekt zum einen zur Erforschung von ästhetischen Formen in Bewegung beitragen: Wie sind literarische Formen, beispielsweise Gattungen wie die Tragödie, an andere Orte gelangt und welche Widerstände wurden dabei überwunden? Auf welche Formbestände sind die Mobilien vor Ort getroffen und wie wurden sie den lokalen Gegebenheiten angepasst? Dabei ist auch zu fragen, welche Formen nicht gereist sind, und worauf deren Immobilität zurückzuführen ist.

Zum anderen soll der Ansatz des Projekts zur Untersuchung von kulturellen Formen, die traditionell nicht zu den Gegenständen ästhetischer Wissenschaft zählen, genutzt werden.  Wie die Literatur- und die Kunstwissenschaft verfolgt auch die Kultur- und Sozialanthropologie ein angesichts globaler Prozesse verstärktes Interesse an kultureller Mobilität. Formen des politischen Aktivismus etwa sind in dieser Hinsicht unter ähnlichen Gesichtspunkten zu betrachten wie Formen der literarischen oder bildenden Kunst.  Während die Literatur- und die Kunstwissenschaft von der besonderen Erfahrung der Kultur- und Sozialanthropologie in der Erkundung von bewegter Kultur profitieren können, eröffnet eine Zusammenarbeit der letzteren Disziplin eine Perspektive auf das Ästhetische ihrer Gegenstände.

In diesem Diskussionszusammenhang hat sich die Frage gestellt, ob solche Prozesse von einer formimmanenten Kraft angetrieben werden. Den Theorien der Automobilität und Eigendynamik möchten wir eine Beschreibungsweise an die Seite stellen, die Formbildung, -erhaltung und -übertragung als einen unsicheren und aufwändigen Prozess sichtbar macht, der nicht von inneren Energien, sondern von Akteuren vorangetrieben wird. Ihnen, sowie den Medien und Praktiken, die Formen bewegen, gilt unser besonderes Augenmerk.

Unter diesen Voraussetzungen arbeitet das Forschungsprojekt auch an einer Theorie der „Form“: Es gilt, diesen traditionsreichen Grundbegriff der Kulturwissenschaft neu zu fassen, so dass er für die Untersuchung von Kultur in Bewegung taugt. Wie kann Ortsveränderung als ein Moment des Formprozesses gedacht werden?  „Traveling Forms“ entwickelt und erprobt ein Konzept der Form als temporär stabiles Arrangement von heterogenen Elementen. Es geht davon aus, dass Formen nicht nur als Ganze, sondern mitunter in Teilen wandern, die sich in neuen Umgebungen anders konfigurieren.