Wo endet der Mensch?

Im Zeitalter der Lebenswissenschaften stellt sich die Frage neu, was der Mensch ist

Was ist der Mensch? Dieser philosophischen Frage haben sich zunehmend auch die Lebenswissenschaften angenommen. Im Rahmen der vom Konstanzer Wissenschaftsforum ausgerichteten Tagung „Wo endet der Mensch? Zur Optimierung des Menschen im Zeitalter der Lebenswissenschaften", die am 11. und 12. November 2015 im Konstanzer Kulturzentrum stattfinden wird, diskutieren Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen über Chancen und Risiken bio-technologischer Innovationen und die veränderbare „Natur" des Menschen.

Welche Auswirkungen hat die Forschung der Lebenswissenschaften auf das, was der Mensch ist, sein will und sein soll? Sind wir einmal mehr auf dem Wege zum perfekten Menschen? Wie lässt sich der wissenschaftliche Fortschritt verantwortlich gestalten? Als interdisziplinäre Kooperation von Biologie, Chemie und Informatik analysieren die Lebenswissenschaften kleinste Bausteine des Lebens und arbeiten dabei mit größten Datenmengen. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse – allen voran die Entzifferung der Genome – eröffnen umfassende Einblicke in die menschliche Physiologie, ihre Entwicklung und mögliche Modifikation. In dem Maße, in dem Körper und Geist auf biotechnisch messbare Größen reduziert werden, ändert sich die Vorstellung von dem, was der Mensch ist. So umfassend die bio-technologischen Erkenntnisse und Innovationen sind, so einschneidend ist ihr gesellschaftliches Veränderungspotential. In einer effizienzorientierten Lebenswelt kann die Biologie zur Subdisziplin der Ingenieurwissenschaft werden, der Körper zur Optimierungszone. Schon wird gefragt, wo die Grenze zwischen Mensch und biochemischem Datenspeicher liegt, was den Menschen also überhaupt noch „begrenzt".

Die gesamte Veranstaltung ist öffentlich, die Teilnahme an der Tagung kostenfrei.

Tagungsort:
Oswald von Wolkenstein-Saal, Kulturzentrum am Münster, Wessenbergstraße 39, Konstanz.

Anmeldung und weitere Informationen:
Weitere Informationen und Anmeldung (bis 1. November) online über
www.uni-konstanz.de/wissenschaftsforum

Programm der Tagung

Mittwoch, 11. November

  • 17.00 Uhr
    Begrüßung
    Prof. Dr. Ulrich Rüdiger
    Rektor, Universität Konstanz

  • 17.10 Uhr
    Einführung
    Prof. Dr. Jürgen Mittelstraß
    Professor em. für Philosophie und Wissenschaftstheorie und Konstanzer Wissenschaftsforum, Universität Konstanz

  • 17.30 Uhr
    Session: Chemische Biologie

    Molekulares Design: Was chemisch-biologische Tricks leisten können
    Prof. Dr. Elke Deuerling
    Professorin für Molekulare Mikrobiologie, Universität Konstanz
    Gibt es den molekularen Jungbrunnen? Können wir mit molekularen Strategien Krankheiten lindern und das Altern aufhalten? Der Vortrag zeigt, wo die Forschung aktuell ansetzt.

    Chemische Biologie oder Biologische Chemie? Ein Plädoyer für die Zusammenarbeit
    Prof. Dr. Andreas Marx
    Professor für Organische Chemie/Zelluläre Chemie, Universität Konstanz
    Chemie und Biologie bereichern sich gegenseitig und erschließen so neue Wege in der Genetik. Dies hat weitreichende Folgen für die Medizin.

    Moderation: Prof. Dr. Klaus P. Schäfer, BioLAGO e.V.

  • 19.30 Uhr
    Abendvortrag

    Perfekte Menschen in perfekter Gesellschaft?
    Prof. Dr. Ernst Peter Fischer
    Professor für Wissenschaftsgeschichte, Universität Heidelberg
    Menschen haben schon immer von Vollkommenheit geträumt. Im Vortrag wird erläutert, wo der Mensch endet, wenn er immer besser werden will. Dabei kommt auch der Philosoph Isaiah Berlin zu Wort: „Ich glaube, es gibt nichts, was für das menschliche Leben destruktiver ist als ein fanatischer Glaube an das vollkommene Leben".


Donnerstag, 12. November

  • 09.00 Uhr
    Philosophie

    Die ethische Ambivalenz des Neuro-Enhancement
    Prof. Dr. Dieter Birnbacher
    Professor für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
    „Enhancement" ist ein Schlüsselbegriff der modernen Biomedizin, deren Verfahren zunehmend dazu herangezogen werden, Leistung zu steigern, natürliche Degenerationsprozesse zu kompensieren, den Körper zu verschönern oder Wohlbefinden zu verbessern. Dieter Birnbacher argumentiert, dass die aktuellen Möglichkeiten des Neuro-Enhancement ethisch nicht unproblematisch sind, auch wenn sie überwiegend noch zu unsicher sind, um eine aufgeregte öffentliche Diskussion zu verdienen.

  • 10.30 Uhr
    Session: Biologie und Psychologie

    Die „Verwitterung" unserer Erbsubstanz – DNA-Veränderungen und Altern
    Prof. Dr. med. Alexander Bürkle
    Professor für Molekulare Toxikologie, Universität Konstanz
    Die Erbsubstanz, die Desoxyribonukleinsäure (DNA), ist der wichtigste Informationsträger im Körper. Im Verbund mit Proteinen (Einweißkörpern) liegt sie in charakteristischen Stücken vor, den Chromosomen. Im Vortrag wird erläutert, wie diese Information verarbeitet wird, welche Auswirkungen Fehler haben und wo Reparaturmechanismen ansetzen. Krebs und Alterungsprozesse werden zunehmend im Zusammenhang mit Veränderungen am Informationsgeschehen verstanden.

    Wenn Gegenwart zur Illusion wird. Spuren belastender Lebenserfahrungen in Genom, Gehirn und Geist
    Prof. Dr. Thomas Elbert
    Professor für Klinische Psychologie & Neuropsychologie, Universität Konstanz
    Gehirn und Geist formen sich gegenseitig, wobei (epi-)genetisch-biologische und sozio-kulturelle Systeme zusammenwirken. Besonders Trauma- und Gewalterfahrungen hinterlassen nicht nur im mentalen Gedächtnis Spuren, sondern verändern das Wesen des Menschen sowie das seiner Nachkommen. Physiologisch, im Verhalten, sowie in Denken und Fühlen.

    Moderation:Prof. Dr. Beate Ochsner, Professorin für Medienwissenschaft, Universität Konstanz

  • 12.00 Uhr
    Medizinethik

    Ärztlich assistierte Selbstoptimierung? Ethische Herausforderungen wunscherfüllender Medizin
    Dr. Tobias Eichinger
    Oberassistent am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte, Universität Zürich
    Ob Anti-Ageing, Schönheitschirurgie, Neuro-Enhancement oder Gendoping – neben ihrem klassisch-therapeutischen Auftrag folgt ärztliche Hilfe zunehmend auch dem Ziel der Wunscherfüllung und Selbstoptimierung, ganz ohne Krankheitsbezug und Indikationsstellung, als Medizin für Gesunde. Der Vortrag befasst sich mit den ethischen Herausforderungen, denen sich die Medizin dadurch gegenüber sieht.

  • 14.00 Uhr
    Session: Neurowissenschaften und Psychiatrie

    Wo beginnt der Mensch? Die Menschwerdung in der Reproduktionsmedizin
    PD Dr. phil. habil. Dipl.-Psych. Ada Borkenhagen
    Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig
    Die Diskussion um die Legalisierung der Präimplationsdiagnostik (PID) und damit um den Status des Embryo wurde in Deutschland bisher vorrangig in Expertenkreisen geführt. Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion unter Einbeziehung der Meinung unterschiedlicher Betroffenengruppen steht nach Ada Borkenhagen noch aus.

    Wo beginnt der Mensch? Die Neurobiologie von der Biene zur Maus
    Prof. Dr. Giovanni Galizia
    Professor für Zoologie und Neurobiologie, Universität Konstanz
    In Ergänzung der Frage, wo heute die Grenze zwischen Mensch und biochemischem Datenspeicher liegt, thematisiert Giovanni Galizia die Überlegung, wo oder wann der Mensch beginnt. Diese Frage zielt auf die Entwicklung eines einzelnen Menschen, aber auch auf die Stammesentwicklung. Wo in der Evolution beginnt der Mensch? Sind alle Tiere vorher „nur" Tier? Was unterscheidet einen Menschen vom Tier? Entsteht „Mensch-Sein" in der Komplexität des Nervensystems oder in ganz bestimmten Eigenschaften und Fähigkeiten?

    Moderation: Prof. Dr. Jürgen Mittelstraß, Konstanzer Wissenschaftsforum, Universität Konstanz

  • 16.00 Uhr
    Kulturwissenschaften

    Das offene Ende: Zur Entstehung einer neuen Suizidkultur
    Prof. Dr. Thomas Macho
    Professor für Kulturgeschichte, Humboldt-Universität zu Berlin

  • 17.00 Uhr
    Schlussbemerkungen
    Dr. Heike Brandstädter
    Geschäftsführerin Konstanz Research School Chemical Biology, Universität Konstanz