Vom EU-Migrationsrecht bis zum Mythos vom Nichtwissen

Presseinformation Nr. 65 vom 3. Mai 2012

Auftakt des „Konstanzer Kulturwissenschaftlichen Kolloquiums“ im Sommersemester 2012

Mehrmals pro Semester veranstaltet der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ der Universität Konstanz das „Konstanzer Kulturwissenschaftliche Kolloquium“, so auch im Sommersemester 2012. Die Vortragsveranstaltung gilt als Forum gemeinsamer Diskussion und Verständigung, die nicht nur universitätsweit, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger geöffnet ist.

Im Rahmen der Auftaktveranstaltung am Mittwoch, 9. Mai 2012, um 18 Uhr wird Prof. em. Dr. Kurt Lüscher einen Vortrag zum Thema „Die aktuelle Tragweite des Ambivalenten“ halten.  Der ursprünglich in der Psychiatrie entwickelte Begriff der Ambivalenz hat mittlerweile in die Alltagssprache und in zahlreiche wissenschaftliche Diskurse Eingang gefunden, insbesondere auch in die Kulturwissenschaften, allerdings oft ohne genaue inhaltliche Bestimmung. Lassen sich mittlerweile ein gemeinsamer Bedeutungskern und tragende Dimensionen ausmachen? Wie kann die Idee theoretisch fundiert werden? – Kurt Lüschers Antworten auf diese Fragen münden in den Vorschlag, das „Ambivalente“ als ein methodologisches Konstrukt zu verstehen, das insbesondere auch für disziplinenübergreifende Analysen nützlich sein kann. Kurt Lüscher lehrte von 1971 bis 2000 Soziologie an der Universität Konstanz. Ab 1989 war er Leiter des Forschungsschwerpunkts „Gesellschaft und Familie“.

Am 23. Mai wird Prof. Dr. Daniel Thym einen Vortrag zum „EU-Migrationsrecht zwischen universeller Freizügigkeit und ‚Festung Europa’“ halten. Daniel Thym lehrt seit 2010 Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz. Er ist zudem Kodirektor des Forschungszentrums Ausländer- und Asylrecht an der Universität Konstanz. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Entwicklung des deutschen, europäischen und internationalen Migrationsrechts, der Rechtsstellung Europas in der Welt sowie dem ebenenübergreifenden Grundrechtsschutz.

Am 13. Juni geht Prof. Dr. Nico Stehr „Dem Mythos vom Nichtwissen“ auf den Grund. Die Polarisierung von Wissen und Nichtwissen oder Unwissen ist seiner Ansicht nach in der Moderne zu einer Art Leitdifferenz geworden. Dennoch, so möchte er in einer soziologischen Kritik dieser Positionen zeigen, sei es theoretisch und praktisch-empirisch unproduktiv, auf einem Entweder/Oder zu beharren und auf Nichtwissen als Gegensatz von Wissen zu verweisen. Dieser Kontrast führe uns nur in den Abgrund des arbiträren, falschen und ebenso langweiligen Gegensatzes von rational und irrational oder den gegenstandslosen Unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Die eigentlich brisante soziologische Fragestellung sei, wie man in der Gesellschaft – unter verschiedenen Rahmenbedingungen – mit der Asymmetrie von Wissen umgehe. Nico Stehr ist Inhaber des Karl-Mannheim-Lehrstuhls für Kulturwissenschaften an der Zeppelin University Friedrichshafen.

Schließlich referieren am 27. Juni Dr. Miriam Ronzoni und Dr. Christian Schemmel über „Grundlagen sozialer und globaler Gerechtigkeit“. Begriff und Inhalt sozialer Gerechtigkeit, und insbesondere ihre Verbindung zum politischen Wert der Gleichheit, gehören zu den umstrittensten Themen der politischen Theorie. Gleichzeitig stellt sich in Zeiten globaler Vernetzung und prekärer nationalstaatlicher Handlungsfähigkeit sowohl die Frage nach ihrer andauernden Relevanz als auch nach ihrer adäquaten trans- und supranationalen Einbettung mit zunehmender Dringlichkeit. Der Vortrag geht diesen beiden Themen nach, mit besonderem Augenmerk auf ihre Verbindung, also wie soziale und globale Gerechtigkeit zusammenhängen. Miriam Ronzoni und Christian Schemmel sind Research Fellows in der Kolleg-Forschergruppe „Justitia Amplificata“ an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Der Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder im Oktober 2006 an der Universität Konstanz eingerichtet. Mit seinen beiden Kernbegriffen „Kultur“ und „Integration“ verbindet er kultur- und sozialwissenschaftliche Fragestellungen in einem Fächerverbund, der von den Philologien über die Geschichte, Philosophie, Soziologie und Politologie bis zur Rechtswissenschaft reicht. Dabei steht die Diskussion aktueller Integrationsfragen ebenso im Forschungsinteresse des Clusters wie die Notwendigkeit wissenschaftlicher Grundlagenforschung. Mit dem „Konstanzer Kulturwissenschaftlichen Kolloquium“ soll diese Diskussion einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

 

Hinweis an die Redaktionen:
Das „Konstanzer Kulturwissenschaftliche Kolloquium“ findet am Mittwoch, 9. und 23. Mai sowie am 13. und 27. Juni 2012 jeweils um 18 Uhr in Raum Y 311 der Universität Konstanz statt. Weitere Informationen unter: www.exc16.de sowie zum Auftaktvortrag am 9. Mai unter www.kurtluescher.de.