Verleihung des Gustav-Hertz-Preises der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) an Dr. Peter Keim

Bahnbrechende Experimente bestätigen Theorien zur spontanen Symmetriebrechung, wie sie auch bei der Strukturbildung des Universums kurz nach dem Urknall diskutiert werden

Der Gustav-Hertz-Preis für junge Physikerinnen und Physiker, der von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) vergeben wird, geht 2016 an Dr. Peter Keim vom Fachbereich Physik der Universität Konstanz. Die Jury würdigt damit seine herausragenden Leistungen zur Beobachtung der Langzeitdynamik in zweidimensionalen, kolloidalen Modellsystemen, insbesondere den Nachweis des sogenannten Kibble-Zurek-Mechanismus, der eine spezielle Art spontaner Symmetriebrechung beschreibt.

Peter Keim hat ein bahnbrechendes und weltweit einzigartiges zweidimensionales Kolloidsystem entwickelt, das sich wie kaum ein anderes Modellsystem zur Untersuchung fundamentaler Fragen der Physik der Phasen- und Glasübergänge eignet. Kolloidsysteme gehören in die Kategorie der „weichen Materie“, es sind Suspensionen mesoskopischer Partikel (Größenbereich von mehreren Nanometern bis wenigen Mikrometern) in einem geeigneten Lösungsmittel. Videomikroskopische Beobachtungen der thermisch fluktuierenden Teilchenpositionen geben in Echtzeit Einblick in die „atomaren“ und kollektiven Vorgänge etwa beim Schmelzprozess, bei der Kristallisation und beim Glasübergang. So konnte Peter Keim einen umfassenden Nachweis für das von Kosterlitz, Thouless, Halperin, Nelson und Young Ende der 1970er-Jahre vorgeschlagene zweistufige Schmelzszenario zweidimensionaler (hexagonaler) Kristalle liefern und alle Vorhersagen der KTHNY-Theorie quantitativ bestätigen.

In einer Arbeit zeigte er kürzlich, dass sich mit Hilfe dieses Kolloidsystems die universelle Dynamik symmetriebrechender Phasenübergänge auch fernab des thermodynamischen Gleichgewichts quantitativ im Labor untersuchen lässt. Dieses als Kibble-Zurek-Mechanismus bekannte Szenario beschreibt für so unterschiedliche Systeme wie das Higgsfeld kurz nach dem Urknall des Universums, aber auch für Quantenflüssigkeiten (suprafluides Helium oder Supraleiter), wie es zur Bildung von topologischen Defekten während spontaner Symmetriebrechungen fern des thermodynamischen Gleichgewichts kommt. Die Dichte der strukturellen Defekte und die Domänengröße folgen dabei einem universellen Skalenverhalten, welches von Kibble und Zurek vorhergesagt wurde. Durch Variation der Kühlraten des Systems über mehrere Größenordnungen konnte Peter Keim dieses Skalenverhalten nachweisen und dessen kritischen Exponenten bestimmen.

Peter Keim studierte Physik an den Universitäten Frankfurt und Konstanz und wurde am Fachbereich für Experimentelle Physik weicher Materie an der Universität Konstanz promoviert. Nach einem zweijährigen Postdoc in Graz kehrte er als akademischer Mitarbeiter nach Konstanz zurück, wo er aktuell als Akademischer Rat auf Zeit eine Arbeitsgruppe leitet und sich jüngst habilitierte.

Die Auszeichnung wird im März 2016 während der DPG-Jahrestagung an der Universität Regensburg überreicht.