Table of Contents Table of Contents
Previous Page  76 / 82 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 76 / 82 Next Page
Page Background

uni’kon: Sie sind die beiden bekanntes­

ten Holzköpfe unserer Universität, aus

Wawa-Holz geschnitzt. Man sieht Sie

nur zu zweit, tagein tagaus beieinander.

Seit Jahren schon beobachten Sie das

Treppenhaus unseres Foyers, sehen die

Generationen an Studierenden kommen

und gehen, haben sicherlich so einiges

zu tuscheln. Heute wollen wir es nun

wissen: Sind Sie eigentlich ein Paar?

Er:

Aber ja doch.

Sie:

Nein, keineswegs.

Er:

Zugegeben, da müssen wir etwas

ausholen, um die besondere Art unserer

Beziehung zu erklären. Es ist nämlich kei-

nesfalls so, dass wir schon immer beiein-

ander waren.

Sie:

Zu Anfang gab es hier im Trep-

penhaus nur einen Holzkopf, nämlich den

männlichen. Das war zu Zeiten noch lan-

ge vor unserem Gender-Kodex, als Studie-

rende noch Studenten hießen, ganz gleich

welchen Geschlechts. Da sind wir heute

ein gutes Stück weiter. In der Tat sind wir

beide als Ensemble eine der ersten Gleich-

stellungsmaßnahmen unserer Universität:

Ein Männerholzkopf ist nicht genug, das

lag damals schon in der Luft – es braucht

ein weibliches Pendant.

Er:

Fünf Jahre später kam also die

weibliche Gegenperspektive ins Treppen-

haus. Das war anno ‘98. Von trauter Einig-

keit kann da zunächst keine Rede sein.

Sehen Sie sich nur ihre Haltung an: Sehr

bestimmt schaut sie an mir vorbei, aber

unsere Blicke kreuzten sich schon damals.

Sie blieben also zunächst auf Distanz.

Trotzdem scheint es mir nicht so, als lä­

gen sie über Kreuz. Was hat Sie vereint?

Er:

Wenn Sie nach einem Kuppler

fragen, dann würde ich sagen: Es brauch-

te ein Gewächshaus, um uns zusammen­

zuführen.

Ein Gewächshaus?

Sie:

Ja, das Gewächshaus des Botani-

schen Gartens – nordwestlich von hier,

mitten im Wald neben dem Heizwerk. Das

wurde im zweiten Bauabschnitt der Uni-

versität gebaut. Und da gibt es diese staat-

liche Selbstverpflichtung…

Er:

… Kunst am Bau…

Sie:

… die besagt, dass ein Prozent der

Baukosten von öffentlichen Gebäuden für

Kunst zu verwenden ist.

Er:

Ich glaube nun zwar nicht, dass es

zweihundert Baumstämme gebraucht hat,

um das Gewächshaus zu errichten – bei all

dem Glas dort, Metall und Beton. Aber das

eine Prozent des Baubetrags lief zumin-

dest auf exakt zwei gut gewachsene Stäm-

me aus bestem Wawa-Holz hinaus, kunst-

voll behauen von Stephan Balkenhol. Falls

der Wink mit dem Zaunpfahl nicht deut-

lich genug ist: Gemeint sind sie und ich,

Frau und Mann, Triplochiton scleroxylon

und Wawa, Kopf und Kopf. Wir verkörpern

also genau genommen die Kunst am Bau

des Gewächshauses, nur dass wir eben

nicht im Botanischen Garten platziert

S. 76

H

Ein Interviewmit den

beiden Kopfsäulen

von Stephan Balkenhol

olzköpfe