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Uwe Goppold, Universität Konstanz

Die Sphragistik (Siegelkunde) beschäftigt sich mit der äußeren Gestalt, der Darstellung und der Funktion von Siegeln (von lat. sigillum "Bildchen"). Siegel wurden – bis zur Erfindung anderer Techniken –zum Verschluss von Briefen verwendet: Der Empfänger eines versiegelten Briefes konnte nur im Fall der Unbeschadetheit des Siegels davon ausgehen, dass dieser nicht schon zuvor von anderen Personen gelesen worden war. Allerdings sind diese Siegel in der Regel für uns Historiker nur in den seltensten Fällen noch zu bestaunen: Der Sinn eines Verschlusssiegels war ja gerade der, dass dieses erst zerbrochen werden musste, bevor sich der Empfänger dem Inhalt des Briefes widmen konnte. Wichtiger als diese Verschlussfunktion ist für die Historiker deren rechtliche Bedeutung von Siegeln. Während des Mittelalters entwickelte sich die Besiegelung zur wichtigsten rechtlichen Form der Beglaubigung von Dokumenten: Ein Geschäft galt erst dann als abgeschlossen, wenn die Vertragspartner die Vertragsurkunde besiegelt hatten.

Dazu wurde das jeweilige Siegelbild beispielsweise mit einem Siegelring in die weiche Siegelmasse – meist Wachs oder Siegellack – eingeprägt und dann an der Urkunde befestigt. Die genaue Untersuchung dieser Siegel von großer Bedeutung: Sie gewähren den Historikern Erkenntnisse über die beteiligten Personen und deren Bedeutung. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Sphragistik zu einer Wissenschaft, deren Erkenntnisse für die Erforschung des Mittelalters und der frühen Neuzeit von großer Bedeutung sind. Da auf den Siegelbildern häufig Wappen dargestellt wurden, steht diese Disziplin in engem Zusammenhang mit der Heraldik (Wappenkunde).

Noch heute werden amtliche Dokumente mit der modernen Form des Siegels – dem Gummistempel – beglaubigt. Auch die Klebe-Plaketten auf unseren Kfz-Kennzeichen können als zeitgenössische Siegel bezeichnet werden.

Siegel

Siegel der Stadt Konstanz.

 

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