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Wolfgang Heinz: Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 
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Tabellen zu III 1.3: Abgeurteilte und Verurteilte
Tabelle 1: Abgeurteilte und Verurteilte nach allgemeinem und nach Jugendstrafrecht
Tabelle 2: Nach allgemeinem Strafrecht Abgeurteilte nach Art der Entscheidung, 1976 bis 2001; alle Straftaten. 
Tabelle 3: Nach Jugendstrafrecht Abgeurteilte nach Art der Entscheidung im Fall der Nicht-Verurteilung 1976 bis 2001; alle Straftaten
Tabellen zu  IV: Entwicklung der Massregelpraxis in Deutschland:
Tabelle 4: Abgeurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung 1976 bis 2001
Tabelle 5a: Wegen Verbrechen oder Vergehen Abgeurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach Deliktsart (absolute Zahlen)
Tabelle 5b: Wegen Verbrechen oder Vergehen Abgeurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach Deliktsart (in % der Abgeurteilten)
Tabelle 6a: Schuldunfähige Abgeurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach Deliktsart.
Tabelle 6b: Vermindert schuldfähige Verurteilte mit freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung, nach Deliktsart.
Tabelle 7: Entziehung der Fahrerlaubnis (Sperre) und Fahrverbot. 

Anhang:
Die Umstellung von „umgerechneter“ auf „echte“ Personenzählung in der StA-Statistik in ihren statistischen Auswirkungen. Analyse anhand der Daten für das Jahr 1998

Erhebungseinheit der StA-Statistik sind Ermittlungsverfahren, in der Strafverfolgungsstatistik sind es dagegen Personen. Die jeweiligen Ergebnisse beider Statistiken sind für eine ganze Reihe von Berechnungen - z.B. Ermittlung des Anteils der Personen, bei denen das Ermittlungsverfahren gem. §§ 45, 47 JGG, §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden ist, oder des Anteils der zu freiheitsentziehenden Sanktionen Verurteilten an der Gesamtzahl aller (informell oder formell) Sanktionierten - aufeinander zu beziehen. Dies setzt einen vergleichbaren Massstab voraus. Da von einem Ermittlungsverfahren im Schnitt 1,2 Personen betroffen sind (1998 kamen lt. StA-Statistik auf 5.437.241 Beschuldigte 4.583.228 Ermittlungsverfahren), würde die unkorrigierte Gegenüberstellung von Ermittlungsverfahren und Verurteilten zu einer Unterschätzung des Ergebnisses führen. Zur genaueren Bestimmung der Grössenordnung der von den jeweiligen Einstellungen betroffenen Personen konnte der StA-Statistik bis 1997 als Anhaltspunkt lediglich entnommen werden: die Zahl der Per­sonen, bei denen die Verfahrens­einstellung mit Auflagen die schwerste Erledi­gungsart war. Die Relation der Zahl der mit Auflagen gem. § 153a StPO und § 45 Abs. 1 JGG (a.F.) - bzw. ab 1991 einschliesslich gem. § 37 Abs. 1 BtMG - einge­stell­ten Ermittlungsverfahren zur hiervon betroffenen Zahl der Personen ergab einen ungefähren Umrechnungsfaktor zur Bestimmung der Grössenordnungen des Verhältnisses Ermittlungsverfahren : Person bei Verfahrenseinstellungen. Die unter Verwendung dieses Faktors errechnete Zahl war die beste Schätzmöglichkeit für die (in der StA-Statistik bis 1997 nicht erhobene) Zahl der Personen, deren Ermitt­lungsverfahren gem. § 45 JGG bzw. §§ 153, 153b, 153a StPO eingestellt worden war.

Erstmals für das Berichtsjahr 1999 wird für die StA-Statistik die Zahl der Personen für die jewei­lige Abschluss­entscheidung der StA erhoben. Die in den vorläufigen Ergebnissen der StA-Statistik 1998 mitgeteilten Ergebnisse für die alten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz - für Hamburg und für Hessen, Niedersachsen, das Saarland und Schleswig-Holstein lagen bei Abschluss des Manuskriptes noch keine Ergebnisse für 1998 vor , das Statistische Bundesamt hat deshalb die Ergebnisse aus 1997 verwendet - erlauben es, etwaige, bei dem bisher verwendeten Umrechnungsverfahren aufgetretene, Über-/Unterschätzungen zu bestimmen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 für die Einstellungen gem. § 45 JGG und in Tabelle 2 für Einstellungen gem. §§ 153, 153a, 153b StPO dargestellt.

Tabelle 1:
Informell oder formell Sanktionierte im JGG
Gegenüberstellung der Ergebnisse von "umgerechneter" auf "echte" Personenzählung in der StA-Statistik
Bundesrepublik Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998

Informell Sanktionierte § 45 JGG Angaben StA-Statistik zu Verfahren, auf Personen umgerechnet Angaben StA-Statistik 1998 zu Personen Relative Über-/Unterschätzung (Schätzfehler)
Baden-Württemberg 20398 22285 -8,5%
Bayern 19877 22271 -10,7%
Berlin 9469 11206 -15,5%
Bremen 2324 2641 -12,0%
Hessen 11 414 12 684 -10,0%
Niedersachsen 16 160 18 713 -13,6%
Nordrhein-Westfalen 39204 45010 -12,9%
Rheinland-Pfalz 8940 9695 -7,8%
Saarland 2 159 2 438 -11,4%
Summe (umgerechnet) 129 943 146 943 -11,6%
 
Umrechnung und Anpassung bei Umrechnung Anpassung wg. Schätzfehler  
Hamburg 9814 11 110  
Schleswig-Holstein 7172 8 079  
Summe (umgerechnet) 16 986 19 188  
Summe Sanktionierte § 45 JGG 146 929 166 131 -11,6%
 
  Personen
Strafverf.-Stat.
Personen
Strafverf.-Stat.
 
Sanktionierte § 47 JGG  43211 43211  
Formell Sanktionierte (Verurt. + § 27 JGG) 93791 93791  
Informell und formell Sanktionierte 1998 283 931 303 133 -6,3%

Wie Tabelle 1 zeigt, wurde durch das bisher vom Verf. verwendete Umrechnungsverfahren die Zahl der Personen, deren Ermittlungsverfahren gem. § 45 JGG eingestellt worden war, im Schnitt von 9 der 11 alten Bundesländer, für die inzwischen Ergebnisse vorliegen, um gut 11% (bezogen auf die Einstellungen gem. § 45 JGG) unterschätzt.

Um zu (vorläufigen) flächendeckenden Angaben für das Bundesgebiet zu kommen, wurden die verfahrensbezogenen Ergebnisse für die zwei (alten) Länder, für die noch keine Ergebnisse aus 1998 vorliegen, wie bisher „umgerechnet“ und sodann aufgrund des durchschnittlichen Schätzfehlers (für die anderen Länder) korrigiert.
Die Zahl der insgesamt (informell oder formell) Sanktionierten dürfte aufgrund des bisherigen Umrechnungsverfahrens damit um rd. 6% unterschätzt sein.

Tabelle 2:
Informell oder formell Sanktionierte im allgemeinen Strafrecht
Gegenüberstellung der Ergebnisse von "umgerechneter" auf "echte" Personenzählung in der StA-Statistik
Bundesrepublik Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998

Informell Sanktionierte 
§ 153, 153a, 153b StPO
Angaben StA-Statistik zu Verfahren, auf Personen umgerechnet Angaben StA-Statistik 1998 zu Personen Relative Über-/Unterschätzung 
(Schätzfehler)
Baden-Württemberg 63427 64660 -1,9%
Bayern 74030 75717 -2,2%
Berlin 38449 41025 -6,3%
Bremen 8193 8433 -2,8%
Hessen 52 215 53 203 -1,9%
Niedersachsen 63 833 67 138 -4,9%
Nordrhein-Westfalen 148256 154744 -4,2%
Rheinland-Pfalz 31938 32836 -2,7%
Saarland 9 110 9 355 -2,6%
Summe (umgerechnet) 489 450 507 111 -3,5%
 
Umrechnung und Anpassung bei Umrechnung Anpassung wg. Schätzfehler  
Hamburg 19316 20 296
Schleswig-Holstein 28106 29 352
Summe (umgerechnet) 47 422 49 648
Summe Sanktionierte (StA)
§§ 153, 153a, 153b StPO
536 872 556 759 -3,6%
 
  Personen
Strafverf.-Stat.
Personen
Strafverf.-Stat.
 
Sanktionierte (Gericht)
§§ 153, 153a, 153b StPO
95784 95784
Formell Sanktionierte 
(Verurt. + §§ 59, 60 StGB
705006 705006
Informell und formell Sanktionierte 1998 1 337 662 1 357 549 -1,5%

Wie Tabelle 2 zeigt, wurde durch das bisher vom Verf. verwendete Umrechnungsverfahren die Zahl der Personen, deren Ermittlungsverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO durch die StA eingestellt worden war, im Schnitt von 9 der 11 alten Bundesländer, für die inzwischen Ergebnisse vorliegen, um 3,5% (bezogen auf die Einstellungen gem. §§ 153, 153a, 153b StPO) unterschätzt. Die Abweichungen liegen ausschliesslich im Bereich von §§ 153, 153b StPO, wo die Unterschätzung 5,8% beträgt. Bei § 153a StPO sind die Ergebnisse durch das Umrechnungsverfahren dagegen geringfügig überschätzt (0,5%).

Um zu (vorläufigen) flächendeckenden Angaben für das Bundesgebiet zu kommen, wurden die verfahrensbezogenen Ergebnisse für die zwei (alten) Länder, für die noch keine Ergebnisse aus 1998 vorliegen, wie bisher „umgerechnet“ und – bezüglich §§ 153, 153b StPO - sodann aufgrund des durchschnittlichen Schätzfehlers (für die anderen Länder) korrigiert.
Die Gesamtzahl der insgesamt (informell oder formell) Sanktionierten dürfte aufgrund des bisherigen Umrechnungsverfahrens damit um rd. 1,5% unterschätzt sein.

Wenn, wie aus Tabellen 1 und 2 ersichtlich ist, in der Vergangenheit die Zahl der informell Sanktionierten unterschätzt wurde, dann führt die Verwendung der aufgrund der „echten“ Personenzählung errechneten Zahl der informell Sanktionierten zu einer Veränderung im Vergleich von 1997 versus 1998, die allein statistisch bedingt ist. Um das Ausmass dieser Veränderung abzuschätzen, werden in Tabellen 3 und 4 Vergleichsberechnungen für einige Bezugsgrössen durchgeführt, die es erlauben, das Mass der rein statistisch bedingten Veränderung zu beurteilen.

Tabelle 3:
Berechnungen zur Auswirkung der Umstellung von "umgerechneter" auf "echte" Personenzählung hinsichtlich der Ergebnisse zur Sanktionierungspraxis im Jugendstrafrecht
Bundesrepublik Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998

  Angaben der
Strafverfolgungs-
statistik
Angaben StA-Statistik zu Verfahren,
auf Personen umgerechnet
Angaben in StA-Statistik 1998 zu Personen Relation:
Sp. (2) in % 
von Sp. (3)
(1) (2) (3) (4)
Einstellungen gem. §45 I, II JGG   135 263 153 144 88,32%
Einstellungen gem. §45 III JGG   11 597 12 988 89,29%
Informell Sanktionierte gem. §45 JGG   146 860 166 131 88,40%
Einstellungen gem. §47 JGG  43211  
Informell Sanktionierte gesamt   190 071 209 342 90,79%
Formell Sanktionierte 93791  
Informell + Formell Sanktionierte insges.   283 862 303 133 93,64%
Auswirkung auf Berechnung der Diversionsrate:
Diversionsrate 1998   66,96% 69,06%  
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart   Scheinbarer Anstieg:
2,10
zum Vergleich: Diversionsrate 1997   67,10%  
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997   -0,14  
 
Auswirkung auf Berechnung der Anteile der zu freiheitsentziehenden Sanktionen (einschliesslich Jugendstrafe zur Bewährung) Verurteilten an Sanktionierten (formell + informell) insgesamt:
Jugendstrafe zur Bewährung ausges. 10977 3,9% 3,6%  
Jugendstrafe unbedingt 6243 2,2% 2,1%  
Summe: Jugendstrafe insges. 17220 6,1% 5,7%  
Jugendarrest 16985 6,0% 5,6% Scheinbarer Rückgang
-0,4
Summe: Jugendstrafe + Jugendarrest 1998 34205 12,0% 11,3%  
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart   Scheinbarer Rückgang
-0,8
zum Vergleich: Rate 1997   11,9%    
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997   +0,17 -0,6  

Tabelle 3 zeigt, dass der Anstieg der Diversionsrate im Jugendstrafverfahren 1998 vs. 1997 ein nur scheinbarer ist, d.h. ein rein statistisch durch die Umstellung des Berechnungsverfahrens bedingter Tatsächlich dürften die Diversionsraten weitgehend unverändert geblieben sein; die Veränderung um -0,1%-Punkte ist angesichts der weiterhin bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der zwei Länder, für die personenbezogene Ergebnisse aus 1998 fehlen, nicht interpretierbar. Hinsichtlich der freiheitsentziehenden Sanktion zeigt sich, dass der Rückgang des Anteils freiheitsentziehender Sanktion an den insgesamt Sanktionierten ebenfalls ein nur scheinbarer ist. Die Anteile liegen 1998 auf praktisch demselben Niveau wie 1997; geringfügige Unterschiede sind wegen der Ungenauigkeiten, die mit dem derzeit noch notwendigen Anpassungsverfahrens verbunden sind, nicht interpretierbar.

Tabelle 4: 
Berechnungen zur Auswirkung der Umstellung von "umgerechneter" auf "echte" Personenzählung hinsichtlich der Ergebnisse zur Sanktionierungspraxis im allgemeinen Strafrecht
Bundesrepublik Deutschland (alte Länder mit Berlin), 1998

  Angaben der
Strafverfolgungs-
statistik
Angaben StA-Statistik zu Verfahren,
auf Personen umgerechnet
Angaben in StA-Statistik 1998 zu Personen Relation:
Sp. (2) in % 
von Sp. (3)
(1) (2) (3) (4)
Einstellungen gem. §153,153b StPO    338 147 359 104 94,16%
Einstellungen gem. 
§ 153a StPO
  198 725 197 655 100,54%
Informell Sanktionierte gem. §§ 153, 153a, 153b StPO   536 872 556 759 96,43%
Einstellungen gem. 
§§ 153, 153a, 153b StPO durch das Gericht (personenbez.)
95784  
Informell Sanktionierte gesamt   632 656 652 543 96,95%
Formell Sanktionierte (Verurteilte zzgl.
Personen mit Entscheidungen gem. 
§§ 59, 60 StGB)
705006  
Informell + Formell Sanktionierte insgesamt   1 337 662 1 357 549 98,54%
 
Auswirkung auf Berechnung der Diversionsrate:
Diversionsrate 1998   47,30% 48,07%  
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart    Scheinbarer Anstieg
+0,77
zum Vergleich: Diversionsrate 1997   47,67%  
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997   -0,37  
 
Auswirkung auf Berechnung der Anteile der zu bedingter oder unbedingter Freiheitsstrafe Verurteilten an Sanktionierten (formell + informell) insgesamt:
Freiheitsstrafe zur Bewährung ausges. 88271 6,6% 6,5%  
Freiheitsstrafe unbedingt 41751 3,1% 3,1%  
Summe: Freiheitsstrafe insges. 130022 9,7% 9,6%  
Unterschied (%punkte) wg. Änderung der Berechnungsart    Scheinbarer Rückgang
-0,1
Zum Vergleich: Rate Freiheitsstr. 1997   9,5%    
Unterschied (%punkte) 1998 vs. 1997   +0,2 +0,1  

Tabelle 4 zeigt, dass auch der Anstieg der Diversionsrate im allgemeinen Strafrecht 1998 vs. 1997 ein nur scheinbarer ist, d.h. ein rein statistisch durch die Umstellung des Berechnungsverfahrens bedingter. Tatsächlich dürften die Diversionsraten weitgehend unverändert geblieben sein; der Rückgang (bei Verwendung des bisherigen Umrechnungsverfahrens) 1998 versus 1997 um -0,4%-Punkte ist angesichts der weiterhin bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der zwei Länder, für die personenbezogene Ergebnisse aus 1998 fehlen, nicht interpretierbar. Hinsichtlich der freiheitsentziehenden Sanktion zeigt sich, dass der Anstieg des Anteils freiheitsentziehender Sanktion an den insgesamt Sanktionierten möglicherweise geringfügig unterschätzt ist. Aber auch hier sind die minimalen Unterschiede nicht interpretierbar.

* * *


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Letztes Update am 21.07.2003 [sanks01h.htm]