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Wolfgang Heinz: Das strafrechtliche Sanktionensystem und die Sanktionierungspraxis in Deutschland 1882 - 2001
(Stand: Berichtsjahr 2001) Version: 6/2003
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Glossar der Fachbegriffe

Ambulante Erziehungsmassregeln (Jugendstrafrecht): Weisung, Erziehungsbeistandschaft bzw. (seit 1990) ambulante Hilfe zur Erziehung i.S. von § 12 Nr. 1 JGG.

Ambulante Massnahmen bzw. Sanktion (Jugendstrafrecht): ambulante Erziehungsmassregeln (Weisung, Erziehungsbeistandschaft bzw. [seit 1990] ambulante Hilfe zur Erziehung i.S. von § 12 Nr. 1 JGG), ambulante Zuchtmittel (Verwarnung, Auflage), zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe.

Ambulante Zuchtmittel (Jugendstrafrecht): Verwarnung und Auflagen.

Ambulante Sanktionen (insgesamt): 1923 bis 1936: Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen gem. § 10 JGG 1923. 1937 bis 1939 wurde in der amtlichen Statistik die Aussetzung der Freiheitsstrafe bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) nicht mehr ausgewiesen. Der Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen ist deshalb um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt.
Ab 1954: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Geldstrafe sowie Aussetzungen zur Bewährung bei Gefängnis und Haft. Die gem. § 23 Abs. 1 StGB a.F. mögliche Strafaussetzung bei Einschliessungsstrafe von nicht mehr als 9 Monaten wurde in der amtlichen Statistik überhaupt nicht, die Aussetzung von Strafarrest zur Bewährung (§ 14 Wehrstrafgesetz - WStG) bis 1974 nicht nachgewiesen. Quantitativ sind die nicht nachgewiesenen Aussetzungen bei Einschliessung und Strafarrest bedeutungslos. Seit 1970 Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafe sowie - seit 1975 - bei Strafarrest.
Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht ab 1954: ambulante Erziehungsmassregeln (Weisung, Erziehungsbeistandschaft bzw. [seit 1990] ambulante Hilfe zur Erziehung i.S. von § 12 Nr. 1JGG), ambulante Zuchtmittel (Verwarnung, Auflage), zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe. Durch Art. 11 Nr. 6 des 1. StrRG 1969 wurde zum 1.4.1970 die Strafaussetzung zur Bewährung auch bei Jugendstrafen von mehr als einem bis einschliesslich zwei Jahren eingeführt. In der amtlichen Statistik wurden diese "unter besonderen Umständen" möglichen Aussetzungen erst seit 1975 ausgewiesen.

Aussetzungsrate: Anteil der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen (nach allgemeinem Strafrecht) bzw. Jugendstrafen (nach Jugendstrafrecht) an den jeweils aussetzungsfährigen Freiheits- bzw. Jugendstrafen.

Beendete Bewährungsaufsichten nach früherer Verurteilung: Im jeweiligen Berichtsjahr beendete Unterstellungen nach allgemeinem Strafrecht bzw. nach Jugendstrafrecht (Aussetzung der Freiheitsstrafe bzw. der Jugendstrafe, des Strafrestes bei Freiheitsstrafe bzw. der Jugendstrafe, und zwar auch, soweit im Wege der Gnade) unter einen hauptamtlichen Bewährungshelfer.
Hinsichtlich der Probanden wird nachgewiesen, ob sie im Zeitpunkt der zur Unterstellung führenden Straftat

  • bereits früher verurteilt waren,
  • bereits früher unter Bewährungsaufsicht standen.

  • Bei den Probanden "ohne frühere Verurteilung" handelt es sich um die rechnerisch ermittelte Differenz zwischen der Zahl der Probanden, deren Unterstellung beendet worden ist, und der Zahl der Probanden, die bereits früher verurteilt worden ist.

    Bedingte Jugendstrafe: Zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe.

    Durch Bewährung beendete Bewährungsaufsichten: Nicht durch Widerruf, sondern durch Straferlass beendete Unterstellungen unter einen hauptamtlichen Bewährungshelfer, einschliesslich Aufhebungen der Unterstellungen und Erledigung des Berufsverbots.

    Deutschland: 1882 bis 1939: Die Angaben beziehen sich auf das jeweiliges Reichsgebiet;
    ab 1950 bis 1960: Die Angaben beziehen sich auf das Bundesgebiet ohne Saarland und Berlin (West);
    ab 1961: Die Angaben beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland nach dem Gebietsstand vor dem 3.10.1990, sie schliessen Berlin (West) ein. Die Ergebnisse schliessen Berlin-Ost mit ein ab 1991 in der Justizgeschäftsstatistik, 1992 in der StVollz-Statistik, ab 1993 in der StA-Statistik und ab 1995 in der StVStat.

    Diversion: Als kriminalpolitisches Konzept wird mit Diversion "Ablenkung", "Umleitung" oder "Wegführung" vom System formeller Sozialkontrolle bezeichnet. In Deutschland wird hierunter die Einstellung des Strafverfahrens - bei Vorliegen der Prozessvoraussetzungen und bei hinreichendem Tatverdacht (sonst: Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO) - durch die Staatsanwaltschaft (staatsanwaltschaftliche Diversion) zur Vermeidung der Anklage oder durch das Gericht (gerichtliche Diversion) zur Vermeidung der Verurteilung verstanden. Die rechtlichen Grundlagen hierfür bilden die §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG, §§ 31a, 37, 38 Abs. 2 BtMG.

    Diversionsrate (allgemeines Strafrecht): Anteil der Personen, bei denen das Verfahren nach §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden ist (nach allgemeinem Strafrecht informell Sanktionierte) an allen nach allgemeinem Strafrecht (formell und informell) sanktionierten Personen (nach allgemeinem Strafrecht Verurteilte sowie Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB [= formell Sanktionierte] und nach allgemeinem Strafrecht informell Sanktionierte).

    Diversionsrate (insgesamt): Anteil der Personen, bei denen das Verfahren nach §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist (informell Sanktionierte insges.) an allen sanktionierten Personen (nach allgemeinem Strafrecht oder nach Jugendstrafrecht Verurteilte sowie Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, § 27 JGG [= formell Sanktionierte] und informell Sanktionierte insges.).

    Diversionsrate (Jugendstrafrecht): Anteil der Personen, bei denen das Verfahren nach §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist (nach Jugendstrafrecht informell Sanktionierte) an allen nach Jugendstrafrecht sanktionierten Personen (nach Jugendstrafrecht Verurteilte sowie Personen mit Entscheidungen gem. § 27 JGG [= formell Sanktionierte] und nach Jugendstrafrecht informell Sanktionierte).
    §§ 45, 47 JGG hatten bis zum Inkrafttreten des 1. JGGÄndG von 1990 folgenden Wortlaut:
    § 45. Absehen von der Verfolgung.
    (1) Ist der Beschuldigte geständig und hält der Staatsanwalt eine Ahndung durch Urteil für entbehrlich, so kann er bei dem Jugendrichter anregen, dem Jugendlichen Auflagen zu machen, ihm aufzugeben, Arbeitsleistungen zu erbringen, seine Teilnahme an einem Verkehrsunterricht anzuordnen oder ihm eine Ermahnung auszusprechen ... Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so hat der Staatsanwalt von der Verfolgung abzusehen.
    (2) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn 1. eine erzieherische Massnahme, die eine Ahndung durch den Richter entbehrlich macht, bereits angeordnet ist oder 2. die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozessordnung vorliegen.

    § 47. Einstellung des Verfahrens durch den Richter.
    (1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn
    1. er eine Ahndung für entbehrlich hält und gegen den geständigen Angeklagten eine in § 45 Abs. 1 bezeichnete Massnahme anordnet,
    2. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 vorliegen oder
    3. der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
    (2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts ...
    (3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden. Einschliessung: Einschliessung trat 1953 an die Stelle von Festungshaft. Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.
     

    Einschliessung: Einschliessung trat 1953 an die Stelle von Festungshaft. Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.

    Festungshaft: Im RStGB 1871 eine nicht entehrende Strafe ("custodia honesta") ohne Arbeitszwang. Festungshaft ersetzte sowohl Zuchthaus als auch Gefängnis und wurde wahlweise mit diesen beiden Strafen bei einer Reihe politischer Straftaten sowie bei Zweikampf angedroht. Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953 durch Einschliessung ersetzt.

    Formell Sanktionierte (allgemeines Strafrecht): Alle nach allgemeinen Strafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB).

    Formell Sanktionierte (insgesamt): Alle nach allgemeinen Strafrecht und nach Jugendstrafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, 27 JGG).

    Formell Sanktionierte (Jugendstrafrecht): Alle nach Jugendstrafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. § 27 JGG).

    Freiheitsentziehende Sanktionen zur Bewährung (Schaubild 3): 1923 bis 1936: Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen gem. § 10 JGG 1923. 1937 bis 1939 wurde in der amtlichen Statistik die Aussetzung der Freiheitsstrafe bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) nicht mehr ausgewiesen. Der Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen ist deshalb um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt.
    Ab 1954: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Aussetzungen zur Bewährung bei Gefängnis und Haft. Die gem. § 23 Abs. 1 StGB a.F. mögliche Strafaussetzung bei Einschliessungsstrafe von nicht mehr als 9 Monaten wurde in der amtlichen Statistik überhaupt nicht, die Aussetzung von Strafarrest zur Bewährung (§ 14 Wehrstrafgesetz - WStG) bis 1974 nicht nachgewiesen. Quantitativ sind die nicht nachgewiesenen Aussetzungen bei Einschliessung und Strafarrest bedeutungslos. Seit 1970 Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafe sowie - seit 1975 - bei Strafarrest.
    Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Strafaussetzung zur Bewährung bei Jugendstrafe bis einschliesslich 1 Jahr. Durch Art. 11 Nr. 6 des 1. StrRG 1969 wurde zum 1.4.1970 die Strafaussetzung zur Bewährung auch bei Jugendstrafen von mehr als einem bis einschliesslich zwei Jahren eingeführt. In der amtlichen Statistik wurden diese "unter besonderen Umständen" möglichen Aussetzungen erst seit 1975 ausgewiesen.

    Freiheitsentziehende Sanktionen unbedingt (Schaubild 3, 10): 1882 bis 1939 Zuchthaus, Gefängnis (soweit nicht zur Bewährung ausgesetzt), Festungshaft und Haft. 1921 bis 1933 einschliesslich Arrest. 1937 bis 1939 sind die Quoten um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt, weil die Strafaussetzung zur Bewährung bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) in der amtlichen Statistik nicht mehr ausgewiesen wurde.
    Ab 1950: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Zuchthaus, nicht zur Bewährung ausgesetzte Gefängnisstrafe und Haft. Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953 auch Einschliessung. Seit 1957 auch der durch das Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957 eingeführte Strafarrest (insgesamt). Seit dem 1. Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969 nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe und (seit 1975) unbedingter Strafarrest.
    Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Bis 1953 Jugendgefängnis, Jugendarrest und Fürsorgeerziehung, ab 1954 nicht zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe, Jugendarrest und Fürsorgeerziehung (ab 1991: Heimerziehung).

    Gefängnis: Im RStGB 1871 die zweitschwerste, an sich nicht ehrmindernde Strafe mit Arbeitszwang. Gefängnis war vorgesehen für Vergehen. Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.

    Haft: Im RStGB 1871 eine leichte, nicht entehrende Strafe, bei der regelmässig Arbeitszwang nicht bestand. Haft war vorgesehen bei Übertretungen. Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.

    Hauptdeliktsgruppen (Schaubild 24):

    I: Straftaten gegen den Staat, die öffentliche Ordnung (ohne Straftaten im Strassenverkehr) und im Amt (§§ 80-168, 331-357, ohne 142 StGB).
    II: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174-184b StGB).
    III: Andere Straftaten gegen die Person (o.V.) (§§ 169-173, 185-189, 201-204, 211-222, 223-231, 234-241a StGB).
    16: Straftaten gegen das Leben (§§ 211-222 StGB).
    17: Körperverletzung (§§ 223-231 StGB).
    IV: Diebstahl und Unterschlagung (§§ 242-248c StGB).
    V: Raub und Erpressung, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249-255, 316a StGB).
    VI: Andere Vermögensdelikte (§§ 257-261, 263-266b, 267-281, 283-305a StGB).
    VII: Gemeingefährliche einschl. Umweltstraftaten (§§ 306-323c, ohne 316a StGB).
    VIII: Straftaten im Strassenverkehr nach dem StGB und dem StVG.
    IX: Straftaten nach anderen Bundes- und Landesgesetzen (ausser StGB und StVG).
    Straftaten insgesamt
    Straftaten ohne Straftaten im Strassenverkehr

    Straftaten insgesamt

    Straftaten ohne Straftaten im Strassenverkehr.

    Informell Sanktionierte (allgemeines Strafrecht): Personen, bei denen das Strafverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO eingestellt worden ist. Bei den Einstellungen durch das Gericht zählen zu den (informell) sanktionierten Personen seit 1989 auch die - quantitativ bedeutungslosen - Fälle der Einstellungen nach §§ 153c Abs. 3, 153d Abs. 2, 153e Abs. 2, 154e Abs. 2, 383 Abs. 2 sowie 390 Abs. 5 i.V. m. 383 Abs. 2 StPO.

    Informell Sanktionierte (Berechnung): Hinsichtlich der Zahlen der informell sanktionierten Personen handelt es sich um Näherungswerte.
    1. Durch die StA informell Sanktionierte: Informationen hierüber enthält lediglich die StA-Statistik. Um Näherungswerte handelt es sich deshalb, weil die verfahrensbezogenen Zahlen der StA-Statistik hinsichtlich der Einstellungen durch die Staatsanwaltschaften von Verfahren auf Personen umgerechnet und zweitens - bis 1988 einschliesslich - die Zahlen der StA-Statistik auf das Bundesgebiet hochgerechnet werden mussten.
    Die Zahlen der StA-Statistik wurden umgerechnet (von Verfahren auf Personen), und zwar entsprechend dem jeweiligen Verhältnis der mit Auflagen gem. § 153a StPO und § 45 Abs. 1 JGG (a.F.) - bzw. ab 1991 einschliesslich gem. § 37 Abs. 1 BtMG - eingestellten Verfahren zur Zahl der Personen, bei denen die Verfahrenseinstellung mit Auflagen die schwerste Erledigungsart war. Die erstmals für 1998 vorliegenden personenbezogenen Daten der StA-Statistik erlauben es, für 1998 die Grössenordnung der Abweichung von umgerechneten zu "echten" Personenzahlen zu bestimmen (vgl. Anhang).
    Zahlen über Einstellungen nach § 45 JGG durch die Staatsanwaltschaft liegen für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach dem Gebietsstand vor dem 3.10.1990 erst seit 1989 vor. Es fehlten 1981-1984 Berlin, Hessen und Schleswig-Holstein; 1985-1987 Hessen und Schleswig-Holstein; 1988 Schleswig-Holstein. Die für diese Länder fehlenden Werte wurden auf der Grundlage der Bevölkerungszahlen und entsprechend dem Durchschnittswert der anderen Länder geschätzt und zu Zahlen für das Bundesgebiet hochgerechnet.
    Für 1990 konnte in Hamburg die StA-Statistik nicht aufbereitet werden. Vom Statistischen Bundesamt wurde zur Schätzung der Verfahrensergebnisse der einfache Durchschnitt aus den Hamburger Ergebnissen für 1989 und für 1991 gebildet. 1997 lagen für Hamburg noch keine aktuellen Zahlen vor, weshalb die Ergebnisse für 1996 eingesetzt wurden. Bei Abschluss dieser Version lagen für Hamburg lediglich ungeprüfte Ergebnisse vor, für Schleswig-Holstein fehlten erneut Ergebnisse, so dass wieder die Ergebnisse aus 1997 verwendet werden mussten.
    Die Daten der StA-Statistik (hinsichtlich der Einstellungen gem. § 45 JGG durch die Staatsanwaltschaft) beziehen sich in den Jahren 1981-1992 auf Berlin-West, seit 1993 auf Berlin insgesamt. Die StVStat bezieht sich nur auf Berlin-West; erst ab 1995 ist auch Berlin-Ost mit eingeschlossen. Infolgedessen sind die Diversionsraten 1993-1994 durch die partielle Einbeziehung von Berlin-Ost geringfügig überschätzt. Werden zur Bestimmung der Fehlergrösse die Werte von 1992 für Berlin-West zugrundegelegt, ergibt sich eine Überschätzung von 0,5 Prozentpunkten.
    2. Durch das Gericht informell Sanktionierte: Zahlen über Einstellungen gem. § 47 JGG werden sowohl in der Justizstatistik in Strafsachen (verfahrens- und [seit 1989] personenbezogen) als auch in der StVStat (personenbezogen) ausgewiesen. Die Angaben der Justizgeschäftsstatistik in Strafsachen zu § 47 JGG sind zwischen 10 und 20 Prozentpunkte höher als die entsprechenden Zahlen der StVStat. Im Sinne einer konservativen Berechnung werden die niedrigeren Angaben der StVStat zugrundegelegt.
    Bis 1988 einschliesslich wurden die verfahrensbezogenen Zahlen der Justizgeschäftsstatistik über Einstellungen auf Personen umgerechnet, und zwar nach demselben Schlüssel wie für die StA-Statistik. Ab 1989 sind die personenbezogenen Daten der Justizgeschäftsstatistik zugrunde gelegt.

    Informell Sanktionierte (insgesamt): Personen, bei denen das Strafverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist. Bei den Einstellungen durch das Gericht zählen zu den (informell) sanktionierten Personen seit 1989 auch die - quantitativ bedeutungslosen - Fälle der Einstellungen nach §§ 153c Abs. 3, 153d Abs. 2, 153e Abs. 2, 154e Abs. 2, 383 Abs. 2 sowie 390 Abs. 5 i.V. m. 383 Abs. 2 StPO.

    Informell Sanktionierte (Jugendstrafrecht): Personen, bei denen das Strafverfahren gem. §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist.

    Internierungsrate (Schaubild 29): Anteil der nach Jugendstrafrecht zu freiheitsentziehenden Sanktionen Verurteilten (unbedingte Jugendstrafe, Jugendarrest, Fürsorgeerziehung bzw. Hilfe zur Erziehung gem. § 12 Nr. 2 JGG) an allen Verurteilten

    Sanktionierbare Personen: Nach allgemeinem oder nach Jugendstrafrecht Verurteilte (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, 27 JGG) und alle Personen, deren Strafverfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, 45, 47 JGG eingestellt worden ist. Eine Verfahrenseinstellung nach diesen Vorschriften setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft hinreichenden Tatverdacht bejaht hat; bei einer Einstellung durch das Gericht wurde zuvor von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.

    Sanktionierte (formell oder informell Sanktionierte): Alle (nach allgemeinen oder nach Jugendstrafrecht) Verurteilten (einschliesslich der Personen mit Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, 27 JGG) und alle Personen, deren Verfahren gem. §§ 153, 153a, 153b StPO, §§ 45, 47 JGG eingestellt worden ist.

    Sonstige Sanktionen (Schaubild 3): 1882 bis 1924; Verweis (gegenüber Jugendlichen); 1923 bis 1939: Absehen von Strafe gem. § 6 JGG 1923 zugunsten von Erziehungsmassregeln und gem. § 9 Abs. 4 JGG 1923 in besonders leichten Fällen.
    Ab 1950: Ambulante Erziehungsmassregeln und ambulante Zuchtmittel (jeweils als schwerste Sanktion) nach Jugendstrafrecht (Erziehungsmassregeln, jedoch ohne Fürsorgeerziehung bzw. Heimerziehung; Zuchtmittel [bis 1953: Auferlegung besonderer Pflichten gem. § 9 JGG a.F.], jedoch ohne Jugendarrest).

    Stationäre Sanktionen (allgemeines Strafrecht): Nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe, nicht zur Bewährung ausgesetzter Strafarrest.

    Stationäre Sanktionen (Jugendstrafrecht): unbedingte Jugendstrafe, Jugendarrest, Fürsorgeerziehung bzw. Heimerziehung gem. § 12 JGG.

    Strafarrest: Militärische Freiheitsstrafe eigener Art nach Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957, die ausschliesslich gegen Soldaten und militärische Vorgesetzte, die nicht Soldaten sind, verhängt werden kann.

    Strafaussetzung zur Bewährung (allgemeines Strafrecht): Als Fortentwicklung der bisher nur gnadenweise gewährten Strafaussetzung durch das 3. StrÄG vom 4.8.1953 bei Gefängnis- und Einschliessungsstrafe von nicht mehr als 9 Monaten sowie bei Haftstrafe eingeführt. Die Aussetzung wurde hierbei an die Erwartung geknüpft, der Verurteilte werde "in Zukunft ein gesetzmässiges und geordnetes Leben führen". Fakultativ konnte der Verurteilte einem Bewährungshelfer unterstellt werden.
    Durch das 1. StrRG vom 25.6.1969 wurde der Anwendungsbereich der Strafaussetzung zur Bewährung erweitert auf Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr bei gleichzeitiger Erweiterung der Aussetzungsvoraussetzungen. Ausnahmsweise ("besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten") konnte auch eine Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, ausgesetzt werden.
    Durch das 23. StrÄndG vom 13.4.1986 wurden die Aussetzungsvoraussetzungen bei Freiheitsstrafen zwischen 1 Jahr und 2 Jahren erweitert ("wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen").

    Strafaussetzung zur Bewährung (Jugendstrafrecht): Gem. § 20 JGG 1953 konnte eine bestimmte Jugendstrafe "von nicht mehr als einem Jahr" zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzungsvoraussetzungen wurden durch das 1. StrRG vom 25.6.1969 neu gefasst (§ 21 Abs. 1 JGG) und der Anwendungsbereich der Strafaussetzung zur Bewährung erweitert auf Jugendstrafe, die 2 Jahre nicht übersteigt.
    Durch das EGStGB vom 2.3.1974 wurde aus der "Kann"-Bestimmung hinsichtlich der Aussetzung bei Jugendstrafen, die ein Jahr nicht übersteigen, eine "Ist"-Bestimmung.
    Durch das 1. JGGÄndG vom 30.8.1990 erhielten die Aussetzungsvoraussetzungen für Jugendstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren ihre gegenwärtige Fassung.

    Todesstrafe: Todesstrafe war im RStGB 1871 nur bei vollendetem Mord sowie bei Mordversuch am Kaiser und eigenem Landesherrn angedroht. In der Folgezeit wurde die Todesstrafe auch bei zahlreichen anderen Delikten angedroht. Aufgehoben wurde sie durch Art. 102 des GG vom 23.5.1949.

    Unbedingt verhängte freiheitsentziehende Sanktionen (stationäre Sanktionen): 1882 bis 1939 Zuchthaus, Gefängnis (soweit nicht - bei Jugendlichen - zur Bewährung ausgesetzt), Festungshaft und Haft. 1921 bis 1933 einschliesslich Arrest. 1937 bis 1939 sind die Quoten um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt, weil die Strafaussetzung zur Bewährung bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) in der amtlichen Statistik nicht mehr ausgewiesen wurde.
    Ab 1950: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Zuchthaus, nicht zur Bewährung ausgesetzte Gefängnisstrafe und Haft. Seit dem 3. StrÄG vom 4.8.1953 auch Einschliessung. Seit 1957 auch der durch das Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957 eingeführte Strafarrest (insgesamt). Seit dem 1. Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969 nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe und (seit 1975) unbedingter Strafarrest.
    Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Bis 1953 Jugendgefängnis, Jugendarrest und Fürsorgeerziehung, ab 1954 nicht zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe, Jugendarrest und Fürsorgeerziehung (ab 1991: Heimerziehung).

    Untersuchungshaftraten: Anteil der Verurteilten, die zuvor in Untersuchungshaft waren, an allen Verurteilten eines Berichtsjahres.

    Verhängungsrate: Anteil der zu Freiheitsstrafe (nach allgemeinem Strafrecht) bzw. zu Jugendstrafe (nach Jugendstrafrecht) Verurteilten an allen nach allgemeinem Strafrecht (bzw. Jugendstrafrecht) informell und formell Sanktionierten.

    Verurteilte (nach allgemeinem Strafrecht und nach Jugendstrafrecht): Formell verurteilte Personen (ohne Entscheidungen gem. §§ 59, 60 StGB, 27 JGG).
    Die Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen nach allgemeinem Strafrecht und nach Jugendstrafrecht bezogen sich bis 26.2.1923 auf Personen, die zur Zeit der Tat 12 Jahre und älter waren, ab 27.3.1924 auf Personen von 14 Jahren und älter.
    Gegenstand der Verurteilung:
    1882 bis 1936: Hauptstrafen (bei Doppelstrafen nur die jeweils schwerste Strafe) wegen Verbrechen und Vergehen (1937 bis 1939 insgesamt verhängte Hauptstrafen einschliesslich Doppelstrafen). Von 1882 bis 1918 ohne die wegen Wehrpflichtverletzung Verurteilten, von 1914 bis 1936 ohne die Verurteilten wegen Verbrechen und Vergehen gegen die aus Anlass des Krieges oder der Übergangszeit erlassenen Strafvorschriften, von 1921 ab ohne die wegen Verstössen gegen das Militärstrafgesetzbuch Verurteilten. Von 1934 ab auch ohne die Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze, die zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehörten. Von 1937 bis 1939 Verbrechen und Vergehen überhaupt, aber ohne Verstösse gegen das Militärstrafgesetzbuch.
    Ab 1950: Verbrechen und Vergehen gegen Bundes- und Landesgesetze.

    Verweis: Ein Verweis konnte Jugendlichen vor Inkrafttreten des JGG 1923 erteilt werden in besonders leichten Fällen eines Vergehens oder einer Übertretung (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RStGB).

    Zuchthaus: Im RStGB 1871 die schwerste, ehrmindernde Freiheitsstrafe mit Arbeitszwang. Zuchthaus war vorgesehen für Verbrechen, ferner bei Vergehen, wenn wegen Rückfalls die Schuld erhöht war oder der Täter als besonders gefährlich angesehen wurde (sog. gefährlicher Gewohnheitsverbrecher). Aufgehoben durch das 1. StrRG vom 25.6.1969.

    Zur Bewährung ausgesetzte freiheitsentziehende Sanktionen: 1923 bis 1936: Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen gem. § 10 JGG 1923. 1937 bis 1939 wurde in der amtlichen Statistik die Aussetzung der Freiheitsstrafe bei Jugendlichen (§ 10 JGG 1923) nicht mehr ausgewiesen. Der Anteil der unbedingten Freiheitsstrafen ist deshalb um bis zu 2 Prozentpunkte überschätzt.
    Ab 1954: Bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht: Aussetzungen zur Bewährung bei Gefängnis und Haft. Die gem. § 23 Abs. 1 StGB a.F. mögliche Strafaussetzung bei Einschliessungsstrafe von nicht mehr als 9 Monaten wurde in der amtlichen Statistik überhaupt nicht, die Aussetzung von Strafarrest zur Bewährung (§ 14 Wehrstrafgesetz - WStG) bis 1974 nicht nachgewiesen. Quantitativ sind die nicht nachgewiesenen Aussetzungen bei Einschliessung und Strafarrest bedeutungslos. Seit 1970 Strafaussetzung zur Bewährung bei Freiheitsstrafe sowie - seit 1975 - bei Strafarrest.
    Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht: Strafaussetzung zur Bewährung bei Jugendstrafe bis einschliesslich 1 Jahr. Durch Art. 11 Nr. 6 des 1. StrRG 1969 wurde zum 1.4.1970 die Strafaussetzung zur Bewährung auch bei Jugendstrafen von mehr als einem bis einschliesslich zwei Jahren eingeführt. In der amtlichen Statistik wurden diese "unter besonderen Umständen" möglichen Aussetzungen erst seit 1975 ausgewiesen.

    Einstellungen durch die Staatsanwaltschaft ohne Auflagen: Einstellungen gem. §§ 153 Abs. 1, 153b Abs. 1 StPO, § 45 Abs. 1 JGG (bzw. § 45 Abs. 2 JGG a.F.) durch die Staatsanwaltschaft.

    Einstellungen durch die Staatsanwaltschaft mit Auflagen: Einstellungen gem. § 153a Abs. 1 StPO, §§ 45 Abs. 2, 3 JGG (bzw. § 45 Abs. 1 JGG a.F.) durch die Staatsanwaltschaft.

    Einstellungen durch das Gericht: Einstellungen gem. §§ 153 Abs. 2, 153b Abs 2 StPO durch das Gericht; seit 1989 auch Einstellungen gem. §§ 153c Abs. 3, 153d Abs. 2, 153e Abs. 2, 154e Abs. 2, 383 Abs. 2 sowie 390 Abs. 5 i.V. m. 383 Abs. 2 StPO, ferner Einstellungen gem. § 47 JGG.

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