Home
| Veranstaltungen | Ausschreibung | Projekte | Profil/Programm/Geschäftsordnung | Personen | Kontakt

 


 

Promotions-/Forschungsprojekte

Post-Doc:

Sylwia Werner



Die Entstehung von Ludwik Flecks Wissenschaftstheorie im Kontext der Lemberger Moderne.
Plurale Wirklichkeitsentwürfe in Wissenschaft, Literatur und Kunst            



Wissenschaftsgeschichte
 


Die Leitfrage des Forschungskollegs nach der Organisation von kultureller Wirklichkeitsreferenz soll in meinem Forschungsprojekt selbstreflexiv weitergetrieben werden, indem nun gefragt wird, in welchen kulturellen Kontexten und unter welchen historischen Voraussetzungen Theorien entstehen können, die die Realität als kulturell konstruiert behaupten. Der im Forschungsprogramm des Kollegs genannte Kronzeuge für die theoretische Grundlegung einer relativistischen Wirklichkeitsauffassung in der Wissenschaftstheorie, ist Ludwik Fleck (1896-1961). In meinem Projekt will ich zeigen, daß Flecks Theorie ihrerseits in einem ganz bestimmten kulturellen Milieu entstand, das sich durch eine ungewöhnliche dichte Verbindung von Literatur, Kunst und Wissenschaften auszeichnete. Es war dieses Milieu, das es Fleck ermöglichte, auf eine spezifische Weise den Monopolanspruch auf Wirklichkeitsdeutung seitens der harten Naturwissenschaften zurückzuweisen und Verfahren, wie man sie bislang eher in der Literatur- und Kunstwissenschaft kannte, auf die Wissenschaften anzuwenden. Wie im Einzelnen zu erforschen sein wird, gab es hierbei neben Fleck noch eine ganze Reihe anderer wichtiger Akteure, mit denen sich Fleck austauschte, die aber heute weitgehend unbekannt sind. Daher wird sich mein Projekt zunächst mit Recherchen zu den Kontexten, Quellen und Lektüren Ludwik Flecks befassen, um die Konstellationen von Wissenschaft – Kultur – Anthropologie – Psychologie - Kunst in Lemberg während der Jahre 1918 – 1939 zu beleuchten. Die Leitfrage meines Projektes könnte so formuliert werden: Welche sind die kulturellen Bedingungen für die Entstehung einer Theorie der kulturellen Bedingtheit von Wissenschaft?
Eine zentrale Annahme des Projektes ist, daß die besondere kulturelle Situation dafür verantwortlich war, daß sich gerade dort eine spezifisch enge Verschränkung von Wissenschaft und Kunst ergab. Aufgrund dieser engen Verschränkung und der großen Dichte gleichzeitig wirkender herausragender Akteure in Wissenschaft, Kunst und Literatur, erscheint es mir legitim, analog zur Wiener Moderne hier auch von einer Lemberger Moderne zu sprechen. Die Kennzeichen dieser ‚Lemberger Moderne’ möchte ich im Hinblick auf die für charakteristischen ästhetischen und wissenschaftlichen Entwürfe von Wirklichkeit herauszuarbeiten versuchen. Münden sollen daher meine Forschungen in eine Monographie zu „Ludwik Fleck und die Kultur der Lemberger Moderne.“

 

Assoziierte Mitglieder:

Leigh Ann Smith-Gary



Auf Schleichwegen. Symptoms of the Sublime in Nineteenth-Century German Realism            


Germanistik
 


Die Versuche der realistischen Literatur in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sich nüchtern und mit einem sogenannten prosaischen Blick auf das Kleine oder das Kleinliche zu gestalten, werden allzu häufig in der Sekundärliteratur kritiklos hingenommen. Bei näherer Betrachtung stellt sich eine Tiefendimension der realistischen Literatur heraus. Es gelingt ihr, gerade mittels mimetischer Erzählstrategien und desillusionierender Darstellungsweisen, deren Anpassung an die zeitgenössischen Wirklichkeitsbedingungen als selbstverständlich angenommen wird, doch wider Erwarten Bezug auf “das Große“ zu nehmen. Meine Dissertation  ("Auf Schleichwegen. Modulations of the Sublime in Nineteenth-Century German Realism") fragt nach Verortung und Wirkung des Erhabenen im realistischen Erzählen und geht der Vermutung nach, dass ein spürbares Unbehagen in der realistischen Prosa auf eine allzu intime Beziehung zu Mechanismen des Übermäßigen zurückzuführen ist, die ausgeschlossen werden soll. Geplant sind Kapitel zu Adalbert Stifters magnetischem Gewitter, dem Index eines kaum wahrnehmbaren Leidenschafts- und Sturmsystems, zu Wilhelm Raabes übergewichtigem Bürger Stopfkuchen und dem Exzessiven seiner komischen Sprache, und zu dem unkontrollierbaren Einbrechen von Friedrich Theodor Vischers tückischem Objekt in den systematisierenden Versuch seiner ‚wissenschaftlichen Ästhetik


Jens Klenner A Poetics of Worlds in 20th & 21st-Century German-Language Fiction and 18th-Century Aesthetic Theory Germanistik
 


Ausgangspunkt meines Projekts ist die Beobachtung einer Verschiebung in den literarischen und kulturellen Feldern des deutschsprachigen Raumes hin zu realistischen, stark narrativ geprägten Darstellungsformen. Nach einem größtenteils avantgardistischen und nichtnarrativen 20. Jahrhundert gibt es eine Wende hin zu einem explizit narrativen und weltschaffenden Modus. Schriftsteller erzeugen fiktionale Welten, die Grenzen und Bedingungen des Möglichen ausloten, und tun dies mit Bezug auf Wirklichkeiten, die damit selbst als kontingent markiert werden. Der hier verwendete Realismusbegriff generiert sich aus einer Fiktionstheorie des literarischen Schreibens als einem Weltentwurf des Virtuellen. Realität wird als etwas Mögliches verstanden, dem es gilt in literarischen Versuchen zu seiner Realisierung zu verhelfen bzw. sich ihm im experimentellen Raum der Fiktion anzunähern. Fiktionale Texte funktionieren somit nicht einfach als abbildende, mimetische Medien sondern führen in ihren Schreibbewegung mimesis und poiesis eng und erschaffen Welten.
Dem Projekt liegt eine zweigeteilte Problemstellung zugrunde: Zum Einen stellt es die Frage wie fiktionale Texte mögliche Welten lesbar und greifbar machen. Was ist das Wesen dieses Übersetzungs-, und Übertragungsprozesses vom Realen zum Fiktionalen? Was ist das Fiktionale, wenn es nicht über das Fiktive zu bestimmen ist? Was geschieht, wenn das Aktuale in das Fiktionale übertritt? Daraus ergibt sich die Frage nach dem Wesen des Erzählens und der Wiederbelebung des Narrativen als anthropologischer Grundkonstante.
Durch einen Transformationsprozeß vom Realen ins Fiktive wird das Reale im Fiktiven selbst oder im Gegensatz dazu erfahrbar wird. Dieser Doppelungsprozeß findet in literarischen Texten statt, die so zu Werkstätten und Labors fiktionaler Welten werden. Das Projekt macht es sich zur Aufgabe diesen Übersetzungsprozess vom Realen zur Fiktion zu untersuchen. Dies geschieht, indem deutschsprachige Gegenwartsliteratur zusammen mit Texten der Frühaufklärung, insbesondere von G.W. Leibniz, J. J. Bodmer und J.J. Breitinger gelesen werden. Die zu untersuchenden literarischen Texte sind von E Jelinek, Ch. Ransmayr, von A. Geiger, I. Schulze, J. Hermann, W. Haas und Ch. Kracht

 

Marco Gerster             Amok als ‚Soziodizee’. Zur diskursiven  Konstruktion ‚sinnloser’ Gewalt Soziologie
 


Die bisherige Amokforschung wird von stark normativen und populärwissenschaftlichen Debatten beherrscht, die sich zwischen einer wenig reflektierten Pathologisierung der Gesellschaft einerseits und der individuellen Psyche des Täters andererseits bewegt. Eine wertfreie Herangehensweise, die Amok als historisch kontingenten Begriff begreift und nach seiner sozialen Konstruktion fragt, wurde von den Sozialwissenschaften bisher wesentlich vernachlässigt. Das vorliegende Forschungsprojekt will diese Lücke schließen und betrachtet Amok als ein Ereignis, das aus der Beobachterperspektive als ›grundlose‹ Gewalt wahrgenommen wird (›void‹) und fragt nach den diskursiven Mitteln und rhetorischen Strategien der Massenmedien, die das Unfassbare wieder kommunikativ anschlussfähig machen und in eine ›tale of void‹ (Giesen) transformieren. Diese Arbeit geht von der These aus, dass die diskursive Konstruktion von ›sinnloser‹ Gewalt zwischen der Wahrnehmung von Amok als unausweichlich und unbeherrschbar aus der ›Umwelt‹ hereinbrechenden Gefahr und Amok als Ergebnis einer gescheiterten Risikowahrnehmung verläuft, bei der sich die Frage nach Verantwortung und Prävention stellen lässt. Als empirische Fallstudie soll die Berichterstattung der Medien ›Die Zeit‹, ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹, ›Süddeutsche Zeitung‹, ›die Tageszeitung‹ und ›Der Spiegel‹ über die deutschen Amokläufe in Erfurt, Emsdetten und Winnenden herangezogen werden. Das empirische Material soll sowohl inhalts- als auch narrationsanalytisch untersucht werden, um Prozessstrukturen sowie den zeitliche Zusammenhang bzw. die massenkommunikative Trägheit zwischen dem Ereignis und seiner Kodierung mitberücksichtigen zu können.

 

Thorben Päthe            Epochen und Figurationen des deutschen Geistes.
Zur Geschichte eines emblematischen Begriffs
Germanistik
 


Das Dissertationsprojekt „Epochen und Figurationen des ‚deutschen Geistes’“ untersucht den „Geist“ als das emblematische Chiffre eines spezifischen deutschen Kulturmodells, das Identitätsfigur und identitätsstiftender Begriff zugleich ist und als solches in der Zeit der Nationalstaatenbildung (und damit der Ausbildung einer nationalen Identität) wirkmächtig wird und es über das neunzehnte Jahrhundert hinaus bleibt. Ausgehend von den Krisendiskursen des frühen zwanzigste Jahrhunderts (u.a. Schmitt, Kantorowicz, Troeltsch, Mann, Hofmannsthal, Borchardt, Pannwitz) steht dabei insbesondere die Frage des kulturellen Anschlusses nach 1945 zur Diskussion, in der das nationale Emblem des „deutschen Geistes“ desavouiert, nicht aber die bislang in ihm gebündelten Denkfiguren – Humanität, Bildung, Weltbürgertum, Welt-Verstehen, die deutsche Territorialstaatsproblematik, eine spezifische Idealismus- und Romantikrezeption, Reichs- und Europadenken –, die sich ausdifferenzieren.
Anhand literarischer, aber auch soziologischer, politischer, juristischer und theologischer Texte soll die Geschichte des deutschen Geistes in Bezug auf die herauszuarbeitenden Traditionsstränge dieser Denk- und Affektfiguren sowie die Frage, wie das „Verschwinden“, dieses Phänomen des „Vergessens“ (als virulentes Problem nach 1945), zu fassen ist, analysiert werden. Hierbei geht es weniger um eine chronologische Darstellung als vielmehr um die Offenlegung der Kontinuitäten und Zäsuren dieser keineswegs linear verlaufenden Traditionsstränge (s. Mann, Hofmannsthal; vgl. Dumont 1991). Beabsichtigt ist, die Geschichte des Emblems als Emblem darzustellen und der Frage nachzugehen, wie und auf welche Weise der Geist weiterhin durch die Geschichte „spukt“.

 

Antonia Eder

Das Indiz – Trug der Evidenz? Zur literarischen und juridischen Kultur von Indizien im 18. und 19. Jahrhundert

 
 


Dieses Forschungsprojekt befragt das Indiz aus semiotischer, wissensgeschichtlicher, genauer rechtshistorischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive als An-Zeichen und methodisches Paradigma von Evidenz. Damit wird nicht nur ein weiteres Feld der ‚law and/as literature’ Debatte eröffnet, sondern am Indiz werden zwei epistemologisch konkurrenzielle Grundsätze der Kulturwissenschaften, Konstruktivismus und Reales konfrontiert. Das Indiz gerät zum symptomatischen Kulminationspunkt von materieller und narrativer Kultur.
Nachgegangen wird dem Zusammenhang zwischen der Rechtsrealität eines im Zuge der französischen Revolution und rechtspolitischen Reformen um 1800 erstarkten Indiz-Begriffs und seinen Spuren in der französischen und deutschsprachigen Literatur des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts. Beide Untersuchungsbereiche, der wissensgeschichtliche Rechtsdiskurs und die literaturwissenschaftlichen Fallanalysen, können durch kulturtheoretische Überlegungen zum Indiz als genuin semiotisches Phänomen verknüpft werden. Der „Denk-Schluss“ (Enthymem) lässt das Indiz begriffsgeschichtlich zwischen Wunderzeichen und Zeugnis, Symptom und Beweis changieren. Inwiefern gerät so das Indiz im semiotischen Kontext zum aporetischen Amalgam aus Sinn (Hermeneutik) und Ding (Material, Reales)? – zu Anfang und Ende der Interpretation? Das Reale des Indiz wird hinsichtlich seiner Evidenz, über die es Aufklärung in nuce zu sein beansprucht, gerade durch narrative Freiheit befragt.

In der Zusammenschau juridischer und literarischer Kultur eröffnet das 'Indizienparadigma' ein für kanonische Texte rar gewordenes innovatives Spannungsfeld von materialer Unhintergehbarkeit und narrativer Täuschung - ebenso wie das: narrativer Unhintergehbarkeit und materialer Täuschung

Erica Weitzmann

Impure Speech: Obscenity and the Real

 
 


Dieses Projekt untersucht die verschiedenen Arten, wie ein sich entfaltender Diskurs des Obszönen im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert das unerkannte Epizentrum für die Debatten über die Rolle wie auch die Grenzen der linguistischen und der ästhetischen Darstellung in der Nachromantik bildet. Besonders berücksichtigt wird dabei die Entwicklung einer selbsternannten realistischen Literatur in Bezug auf die spezielle Dynamik des Zeigens und des Verbergens, die das Obszöne notwendig nach sich zieht. Denn, so wie Freud behauptet, dass die Begierde, die ungesehenen Geschlechtsorgane zu sehen der Ursprung der Zote sei, ist das Obszöne das, was zugleich verdeckt werden muss und allzu offensichtlich ausgestellt wird. Demzufolge stellt das Projekt zuerst die Frage nach der paradoxen Darstellung des Undarstellbaren, verstanden als Formen eines Überschusses an Präsenz in einer als gegenständlich erachteten Sprache. Entgegen der gängigen Beschreibung wird argumentiert, dass es nicht so sehr der Fall ist, dass das Obszöne plötzlich anfängt, in der Literatur dargestellt zu werden, sondern vielmehr, dass die Darstellung selbst anfängt, als obszön zu erscheinen, indem sie es angeblich ermöglicht, das Drängen des „Realen“ in der Sprache zu durchbrechen. Dadurch wird das Obszöne sowohl zur Apotheose des realistischen Programms als auch zu dem, was dessen Prämissen von Anbeginn unterminiert.