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Manfred Pfaffenthaler
[manfred.pfaffenthaler@uni-konstanz.de]

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KollegiatInnen
Koordinator
HochschullehrerInnen



Staatlichkeit und visuelle Kohäsion
in den Wissenschaften der österreich-ungarischen Monarchie


Projektskizze

Das hier vorgestellte Forschungsvorhaben besteht aus zwei Fallstudien, die sich mit epistemologischen Fragen der Herstellung von Wissen über das Habsburger Territorium und seiner multiethnischen Bevölkerung beschäftigen. In der ersten Studie werden die kartographischen Praktiken des k.(u.)k. Militärgeographischen Instituts sowie die Distribution des produzierten Kartenmaterials untersucht. Im zweiten Teil gilt der Forschungsfokus den Illustrationen des sogenannten Kronprinzenwerks, das gleichsam eine ethnographische Gesamtaufnahme der Monarchie darstellt. Die Hypothese, die in diesem Zusammenhang formuliert werden kann, lautet, dass sowohl durch die Karten als auch durch das Kronprinzenwerk visuelle Kohäsion erzeugt wurde, die im Sinne der Staatlichkeit die territoriale Integrität und den Zusammenhalt der Bevölkerung stärken sollte. Das k.(u.)k. Militärgeographische Institut und auch die Redaktion des Kronprinzenwerks agierten unter staatlicher Regie. In beiden Fällen – Kartographie und Ethnographie – ist das herrschaftliche Dispositiv der Monarchie deutlich erkennbar und das sowohl in der wissenschaftlichen Tätigkeit als auch in deren Ergebnissen. Mehr noch, es lassen sich in den Kartensammlungen und Illustrationen programmatische und figurative Verweise auf die zentralistische Organisation des Staates und die Zentralperspektive seiner Akteure auf Land und Bevölkerung erkennen. In Folge werden die beiden Fallstudien kurz skizziert, wobei genauer auf die zu untersuchenden Aspekte eingegangen wird.

Zirkulierende Kartenwelten

Im Rahmen dieser Fallstudie werden erstens die geodätischen und drucktechnischen Herstellungsverfahren der Karten untersucht und zweitens die semiotischen, sozialen und politischen Bedingungen ihrer Produktion. So erlaubten im ersten Fall die Innovationen der Drucktechnik eine genaue Schraffung der Geländeformen, da im Druck selbst die eng aneinander gezeichneten Falllinien weiterhin erkennbar blieben. Dies führt uns zum zweiten Aspekt der Untersuchung, der der Prämisse folgt, dass Karten das Territorium nicht nur maßstabsgetreu abbilden, sondern durch das Aneinanderzeichnen seiner räumlichen Gegebenheiten (wie Berge, Flüsse, Straßen und Grenzen) überhaupt erst hervorbringen. Die Konstruktion und Festigung des Staatsgebietes durch seine kartographische Darstellung trug wesentlich zur Kohäsion der Habsburger Monarchie bei. Der letzte Aspekt, der hier betrachtet werden soll, ist drittens die Distribution der produzierten Kartenwerke. Eine besondere Rolle kommt dabei der Veröffentlichung der Karten in Schulatlanten zu.

Visuelle Kohäsion und Typisierung im Kronprinzenwerk

In der zweiten Fallstudie des Forschungsvorhabens sind besonders die ethnographischen Fotografien von Interesse, die oftmals als Studienvorlage für die Illustrationen im Kronprinzenwerk dienten. An dieser Stelle wird demnach der Frage nachgegangen, inwieweit sich die fotografischen Vorlagen von den publizierten Illustrationen unterscheiden und welche Elemente hinzugefügt bzw. weggelassen wurden. Der Redaktion des Kronprinzenwerks war sehr daran gelegen, die Monarchie in einem positiven Licht darzustellen und dabei Land und Leute entsprechend in Szene zu setzen, wobei ihnen hier die ‚künstlerische Freiheit‘ der Illustratoren durchaus entgegenkam. In der so produzierten visuellen Kohäsion zeigt sich klar der dem Werk zugrunde liegende Gedanke, die Sympathie der Völker füreinander und die Liebe des Volkes zum gemeinsamen Staat zu fördern und zu stärken. Darüber hinaus macht die Betrachtung des Herstellungsprozesses der Illustrationen des Kronprinzenwerks deutlich, dass es hier weniger um eine originalgetreue Abbildung der Wirklichkeit ging, sondern vielmehr um eine visualisierte Normativität, die dem Dispositiv der Typisierung der Bevölkerung des Staates entsprach.

Kurzinformation zur Person

  • Seit 10/2016 Post-Doc am Graduiertenkolleg „Das Reale in der Kultur der Moderne“, Universität Konstanz
  • 2014–2016 Univ.-Ass. am Institut für Geschichte (Fachbereich Südosteuropäische Geschichte),
    Karl-Franzens-Universität Graz
  • 2014 Promotion am Institut für Geschichte (Fachbereich Südosteuropäische Geschichte),
    Karl-Franzens-Universität Graz. Thema: Arbeitsmigration und transnationale Mobilität.
    Zur Bedeutung europäischer Migrationswege am Beispiel der Gastarbeiterroute
    zwischen Nürnberg und Istanbul (1961–1991)
  • 2010 Gast am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, Universität Osnabrück
  • Studium der Geschichte und Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz