"... nie mit dem sein, das gerade gilt". Elias Canetti zum 100. Geburtstag

Veranstalter:
Zentrum für Literaturforschung (Berlin)
Forschungsstelle „Kulturtheorie und Theorie des politischen Imaginären“ (Konstanz)

Termin:
07.04.2005 13:00 bis 09.04.2005 16:00

Veranstaltungsort:
Zentrum für Literaturforschung
Jägerstr. 10-11
10117 Berlin
Raum 06
10117 Berlin
Berlin
Deutschland

Kontakt:
luedemann@zfl.gwz-berlin.de
 

Leben und Werk Elias Canettis sind von Gegensätzen geprägt: Verkörperte er einerseits wie kaum ein anderer Schriftsteller des 20. Jh. die Gestalt des "exzentrischen Einsiedlers" (Susan Sontag) und heterophoben Büchermenschen, so gilt sein Hauptwerk andererseits dem Phänomen der Masse, die die Grenzen der Individualität auslöscht und die einzelnen den kollektiven Körpern einverleibt. Bestimmte er einerseits den Dichter als den "Hüter der Verwandlungen", so war er andererseits zeitlebens fasziniert von der Gestalt des Machthabers, dessen wesentliches Kennzeichen "Erstarrung", sprich: seine Unfähigkeit zur Verwandlung sei. Wurde er drittens schließlich nie müde, seine Feindschaft gegen den Tod zu bekunden, der die Sterblichkeit des Menschen als solche schon Skandalon war, so hat er doch andererseits die menschliche Leidenschaft zum Überleben als das "Erbübel der Menschheit" gegeißelt. Von diesem Urteil ausgenommen (und für sich in Anspruch genommen) hat er allein den Willen zur literarischen Unsterblichkeit, zum Überleben post mortem, das auf niemandes Kosten geht und den Dichter zum genauen Gegenbild des Machthabers macht, bei dessen Tod seine Umgebung mit sterben muß.
Das Berliner Colloquium zu Canettis 100. Geburtstag möchte diese gegenstrebigen Tendenzen in seinem Werk für die Interpretation fruchtbar machen, indem es die literarischen Texte, das theoretische Werk und die Autobiographie in drei eng verwobenen Sektionen aufeinander bezieht.

Programm:

Donnerstag, 07.04.2005
Canetti im Kanon

13.00
Begrüßung: Susanne Lüdemann/Eckart Goebel

13.30-15.30
Moderation: Achim Geisenhanslüke

Paul Fleming (New York)
Dead Men Walking: Zu Canettis Die Befristeten

Michael Rohrwasser (Berlin)
Canettis Selbstinszenierung als Autor der Blendung

16.00-19.00
Moderation: Susanne Lüdemann

Alexander Honold (Basel)
Zur Literaturgeschichte des Autodafés

Manfred Schneider (Bochum)
Kritik der Paranoia: Canetti und Karl Kraus

Freitag, 08.04.2005
Canettis "Gegenwissenschaft"

9.30-11.30
Moderation: Martin Treml

Klaus Weimar (Zürich)
Blindheit, Blendung, Verblendung und andere Sehstörungen

Susanne Lüdemann (Berlin)
Die Masse im Feld der Anschauung

12.00-13.00
Moderation: Justus Fetscher

Achim Geisenhanslüke (Regensburg)
Wolfsmänner. Canetti und Freud

14.30-15.30
Moderation: Justus Fetscher

Benjamin Bühler (Konstanz)
"Er denkt in Tieren wie andere in Begriffen." Canettis Epistemologie des Tiers

16.00-18.00
Moderation: Susanne Lüdemann

Friedrich Balke (Köln)
Canettis Theorie der Souveränität

Eva Geulen (Bonn)
Lebensform und Fliegenpein

20.00 Abendvortrag
Gerhard Neumann (München)
Gewalt und Aufmerksamkeit. Zu Canettis
Theorie der Kultur

Samstag, 09.04.2005
Der Überlebende

9.30-11.30
Moderation: Eckart Goebel

Martin Treml (Berlin)
Canettis Blick aufs Judentum

Erhard Schüttpelz (Konstanz)
Die Verwandlung und Deutschland (in der Freundschaft von Elias Canetti und Franz B. Steiner)

12.00-13.00
Moderation: Eckart Goebel

Peter Friedrich (Bielefeld)
Tod und Überleben. Canettis Anti-Thanatologie

14.00-16.00
Moderation: Susanne Lüdemann

Justus Fetscher (Berlin)
Der Überlebende. Canetti und die mythische Macht

Ursula Ruppel (Frankfurt/M.)
Die Canettis - über sich selbst und über einander

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