Maya Preis

Zur Konzeption von Identität im Werk Alfred Döblins

Projektskizze
Die Auseinandersetzung mit der Selbstgewissheit und der Konstanz des Ich durchzieht das Gesamtwerk Alfred Döblins wie ein roter Faden: Das lyrische Ich der „Jagenden Rosse“(1900) ist ebenso mit „zusammengebissenen Zähnen“ im Wahnsinn der Selbstbehauptung und gleichzeitigen Entselbstung gefangen wie Franz Biberkopf, der Protagonist des „Berlin Alexanderplatz“ (1933). Letzterem zerbricht die eigene Identität, und er kehrt als ein Anderer, nämlich als „wackelige(r) Mann, den sie nach dem Gestorbenen Biberkopf nennen“, aus dem halluzinatorischen Raum des Wahns in die reale Welt zurück. Dieses Schicksal, das das Ende des Romans beschließt, teilt Franz mit Edward, dem Hamlet Döblins in dessen letzten Roman: Die Zerstörung des Ich im Kriegsverletzten Edward Allison markiert in „Hamlet oder die lange Nacht nimmt ein Ende“ den Beginn einer Suche nach Identität und Selbstgewissheit.
Dieses Leitmotiv der in unterschiedlichen Kontexten beleuchteten Identitätsfragilität lässt meines Erachtens sowohl die Zuteilung der literarischen Werke Alfred Döblins in die unterschiedlichsten Stilrichtungen beziehungsweise literarischen Epochen (Jugendstil, Expressionismus, Sachlichkeit) als auch die zumindest auf den ersten Blick bestehenden Widersprüche in der literarischen wie auch erkenntnistheoretischen Reflexion, man denke nur an den Döblinschen Nihilismus und Agnostizismus auf der einen, die dennoch ungetrübte metaphysische Sehnsucht auf der anderen Seite, in den Hintergrund treten.
Es ist das Ziel meines Dissertationsprojektes, die für die frühen Erzählungen und Romane Döblin charakteristische Konzeption von Identität als narrationskonstituierendem Element, das sich auf die Imagination einer intra- oder extrasubjektiven Figur des Dritten gründet, zu analysieren und in ihrer Bedeutung für das weitere Werk Döblins, das die Thematisierung von Identität aufgreift und weiterentwickelt, darzustellen. Dabei soll die Betonung auf der zentralen Verknüpfung zwischen der Gestaltung der Identitäts-Konzeption und den sich wandelnden ästhetischen Prinzipien Döblins liegen.



On the concept of identity in the works of Alfred Döblin

Dissertation Abstract

The ego conflict of self-assuredness and constancy runs like a thread through Alfred Döblin's entire works: The lyrical "ego(first person)" of "Jagende Rosse“(1900) is caught with "clenched teeth" in the mania of self-assertion and simultaneous self-destruction in the same way as for Franz Biberkopf, the protagonist of "Berlin Alexanderplatz" (1933). The latter's own identity is shattered, and from the hallucinatory world of delusion he returns to the real world as another person, i.e. a "tottery man whom they call Biberkopf after the dead man". Franz shares this fate which marks the end of the novel, with Edward, Döblin's Hamlet in his last novel: Now a war invalid, the destruction of Edward Allison's inner self marks the beginning of his search for identity and self-assuredness in "Hamlet oder die lange Nacht nimmt ein Ende".
In my opinion, this main motif of the fragility of identity illuminated in the differing contexts, supercedes both the categorisation of Alfred Döblin's literary works under the most differing types of style, or literary epochs (Art Nouveau, Expressionism, Objectivity) and the apparent contradictions, at least at first glance, in both literary reflection and theoretical reflection on awareness on the one hand - one only has to think of Döblin's nihilism and agnosticism- and the nevertheless untarnished metaphysical longing on the other.
The aim of my thesis is to analyse the concept of identity as a narrative element - which I believe is characteristic for Döblin's early stories and novels - that is founded on an imaginative intra-subjective or extra-subjective figure in the third person, and to show its significance for Döblin's following works that take up and develop identity further as a specific theme. In so doing, the emphasis is to lie on the basic association between the structure of the identity concept and Döblin's changing aesthetic principles.