Maud Meyzaud

Die stumme Souveränität. Volk und Revolution bei Georg Büchner und Jules Michelet

Projektskizze
Als die Französische Revolution 1789 ausbrach, inszenierte sie sich selbst als Erlösung der Menschheit und wurde von ihren europäischen Beobachtern auch entsprechend rezipiert. Der Sturm auf die Bastille wurde als die säkularisierte Verwirklichung der Frohen Botschaft wahrgenommen, als die Ankunft eines Zeitalters der Freiheit und der Gleichheit auf Erden. Doch bald sollte der neue Souverän – das französische Volk – als jene juridisch-politische Figur fungieren, die die sogenannte Schreckensherrschaft (1793-1794) autorisierte. Als die Köpfe regelmäßig zu rollen begannen, hatte sich die Französische Republik in ein System der allgemeinen Aufsicht, der Furcht und des Verdachts umgewandelt. Vom Träger der politischen Emanzipation war das Volk zum Träger eines Systems der Angst geworden. Die Dissertation geht von der Hypothese aus, dass “Literatur” im 19. Jahrhundert als das Medium für jenes politische Imaginäre fungiert, das sich vom revolutionären Projekt einer Instituierung des Volkes als des neuen Souveräns ableiten lässt. Sie unternimmt Lektüren von Georg Büchners Flugschrift Der Hessische Landbote und seinem Drama Dantons Tod sowie Jules Michelets Geschichte der Französischen Revolution, den Vorlesungen im Collège de France, die der Historiker hielt, während er an seinem Hauptwerk schrieb und seiner Abhandlung über Das Volk. Meine Analysen sind der Produktion von Figuren des Volkes gewidmet, die dem revolutionären Diskurs und seiner literarische Rezeption in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gemeinsam ist. Untersucht werden die narrativen, diskursiven und theatralen Strategien, die dazu beitragen, jenes politische Imaginäre freizulegen, das anlässlich der Französischen Revolution zutage gefördert wurde, dabei soll an Lektüren gezeigt werden, wie das 19. Jahrhundert dieses Imaginäre erbt, das heißt rezipiert, mitkonstituiert, bzw. fortsetzt und/oder dekonstruiert.

 


Mute Sovereignty: The People and the Revolution in the Works of Georg Büchner and Jules Michelet

Dissertation Abstract
When the French Revolution broke out in 1789 it was both staged and perceived as the redemption of humankind. The storming of the Bastille was perceived by its European observers as the secular realization of good news: the era of freedom and equality had finally arrived on earth. Soon, however, the French people ceased to embody a liberated humanity and as the new sovereign it became the juridical-political guarantor for the so-called revolutionary Reign of Terror (1793-1794); as the heads began to roll, the French Republic turned itself into a system of surveillance, fear, and suspicion. From being the subject of a project of emancipation, the People had become the subject of a system of fear. Based on the supposition that “literature” in the 19th century is the medium of the political imagination that can be derived from the revolutionary project of instituting the People as the new sovereign, my dissertation undertakes readings of Georg Büchner’s pamphlet The Hessian Messenger and his play Dantons Death as well as Jules Michelet’s History of the French Revolution, the lectures he held at the Collège de France while writing his main work and his small essay on the People (Le Peuple). My analyses concentrate on the production of figures of the People shared by both revolutionary discourse and its literary reception in the first half of the nineteenth century; narrative, discursive and theatrical strategies are investigated in order to understand which new political imaginary could emerge during the French Revolution and how the 19th century dealt with this legacy, i.e. how it received this imaginary, how it contributed to its constitution, carried it on and/or deconstructed it.

 


Vorträge, Veröffentlichungen, Lehre

Lectures, Publications, Teaching
 

Vorträge
Lectures

05. - 10. Juni 2006
Inviting the Intruder, Sektion: Fascinated by terror: deconstructing the political affects der IAPL-Conference 2006 / Between Three Arts – Media – Politics“, Freiburg in Breisgau.
   
 Januar 2006 Langue révolutionnaire" im Rahmen der dem Werk des Philosophen Philippe Lacoue-Labarthe gewidmeten Tagung Déconstruction mimétique am Collège International de Philosophie (Paris)/ http://www.lachutedanslavallee.info/lacoue.php
   
August 2005 Der Traum von den transparenten Organen. Das Verschwörungsdispositiv der Französischen Revolution und seine Folgen bis zum Bund der Kommunisten, Sektion Verrat und Verschwörung der vom Institut für Kulturwissenschaften (Wien) organisierten Sommerakademie Dienst am Geheimnis, St-Wolfgang.
   


Veröffentlichungen
Publications

„Langue révolutionnaire“. In: La chute dans la vallée (Hg), Déconstruction mimétique. Paris: Galilée. Zu erscheinen 2008

„Peuple révolutionnaire, peuple d’Auschwitz: Giorgio Agamben et l’unité de la politique moderne“. In: po&sie, 117-118, Paris: Belin, Herbst 2006. (Eine erweiterte Fassung soll bei Horlieu 2008 erscheinen)

„Peuple et Etat : une lecture de la métaphore du corps politique dans Le Messager Hessois“. In: Philosophie et littérature. Cahiers philosophiques de Strasbourg 19. Straßburg: Presses Universitaires de Strasbourg, 2006

„Für das universelle Vaterland sterben: Der Diskurs des modernen Kriegspatriotismus in Jules Michelets Geschichte der französischen Revolution“ in: Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien, Bd. II: Ideologisierungen und Entideologisierungen. Hrsg. von Stefan Jaeger und Christer Petersen, Kiel: Verlag Ludwig, 2006

(Zusammen mit Romain Jobez) “Leonce und Lena“ – eine Lektüre zum geisteswissenschaftlichen Zeitvertreib“. In: Zum Zeitvertreib. Strategien - Institutionen - Lektüren - Bilder. Hrsg. von Alexander Karschnia u.a., Bielefeld: Aisthesis, 200

Lehre
Teaching

SoSe 2006 Demokratie und Eigenschaftlosigkeit
Lehrauftrag in Germanistik an der philosophischen Fakultät der Universität Konstanz
   
SoSe 2005

Das Drama der Revolution: Georg Büchners Dantons Tod, zusammen mit Jörn Etzold.

Lehrauftrag in Germanistik an der philosophischen Fakultät der Universität Erfurt