Call for Papers

 

Narrative der Humanwissenschaft
2. Graduiertenkonferenz des Graduiertenkollegs Die Figur des Dritten vom 10.-11. Juni 2005

 

Keynotespeaker
Rüdiger Campe (Baltimore)
Marianne Schuller (Hamburg)

 

„Tropics of discourse“ (Hayden White), „poetics of culture“ (Stephen Greenblatt), „Poetologien des Wissens“ (Joseph Vogl) – dies sind die Stichpunkte, die die kulturwissenschaftlichen Debatten im Anschluss an Michel Foucault in den vergangenen Jahren geprägt haben. Diesen Theorieansätzen ist eines gemein: sie interessieren sich im weitesten Sinne für die poet(olog)ischen Bedingungen von Wissen und ermöglichen somit eine Sichtweise auf die Konstitution neuer Wissensobjekte und Erkenntnisbereiche, die nicht losgelöst von ihren Darstellungsformen und Repräsentationsweisen betrachtet werden können. Wissen entsteht demnach durch einen fortgesetzten und zirkulären Austausch kultureller Zeichen, rhetorischer Figuren und narrativer Strukturen. Diese Perspektive ermöglicht es, mit literaturwissenschaftlichen Methoden auch nicht-literarische Diskurse im Hinblick auf ihre formalen und strukturellen Bedingungen zu untersuchen. In diesem Zusammenhang fragen wir nach der Bedeutung von Narrativen in den Humanwissenschaften. Uns interessieren dabei die methodologischen Perspektiven ebenso wie die konkreten historischen Ausprägungen. Für die Untersuchung der Austauschprozesse zwischen literarischen und humanwissenschaftlichen Diskursen schlagen wir folgende Themenfelder vor:

 

1. Schwellen der Wissenschaftlichkeit
Im Zentrum dieser Thematik steht die Frage, ob, und auf welche Art und Weise Narrative die Systematisierung und Institutionalisierung von Diskursen ermöglichen, bzw. verhindern. Was unterscheidet wissenschaftliche Anordnungen von anderen Ordnungen des Wissens? Welche diskursiven Bedingungen ermöglichen oder verhindern den Status von Wissenschaftlichkeit? Dies betrifft die Grenzlinien, Hindernisse und Übergänge jenes Ortes, den Foucault als Schwelle der Wissenschaftlichkeit bezeichnet hat. Geschichtsschreibung, Psychoanalyse oder die Humangenetik sind Beispiele humanwissenschaftlicher Disziplinen, die sich im Hinblick auf einen wissenschaftlichen Status unterschiedlich ausrichten lassen und positionieren. Zu fragen wäre hier nach den narrativen Bedingungen und Möglichkeiten von Wissen und dessen Institutionalisierung. Welche Funktionen kommen Narrativen innerhalb einer systematischen und formalisierten Wissensordnung zu? Inwiefern sind Erzählungen, beispielsweise als Anfangs- und Gründungserzählungen, daran beteiligt, Wissen in Wissenschaft zu transformieren?

 

2. Poetologien des Wissens/Rhetoriken des Wissens
Materielle und nicht-materielle Gegenstände, auf die sich wissenschaftliches Erkenntnisinteresse richtet, sind zum Zeitpunkt ihres Auftauchens gestalt- und bedeutungslos. Erst mit der Beschreibung ihrer Eigenschaften nehmen sie Form und Bedeutung an. Damit ist die Repräsentation von wissenschaftlichen Objekten nicht als Vorgang der Stellvertretung zu charakterisieren, sondern als Prozess der Sichtbarmachung und poeitischer Hervorbringung. Hier kommen rhetorische Verfahren wie Metaphorisierung oder Metonymisierung als unverzichtbare Strategien zum Einsatz. Beispielsweise hat sich im Bereich der Lebenswissenschaften die katachresische Rede von genetischem Code, Text und Buch des Lebens als äußerst produktiv erwiesen und trug maßgeblich zum Erfolg nachstehender Forschungsverläufe bei. In diesem Sinne entfalten rhetorische Figuren epistemologische Kraft. Im Zentrum dieses Themenfeldes stehen die Formen sprachlicher Repräsentation und Verfahren narrativer Gestaltung, die sowohl natürliche als auch künstliche, soziale wie politische Phänomene erst denkbar machen und ihnen als Wissen Stabilität verleihen.

 

3. Die Figur des Dritten
Hier ließe sich nach den Instanzen fragen, die für die Wahrheit eines Diskurses und die Konstitution von Wissen sowie Wissensobjekten einstehen. Die Figur des Dritten steht dabei weniger in ihren mannigfachen theoretischen Ausprägungen zur Disposition, sondern vielmehr als eine Perspektive, die es erlaubt, Strukturen funktionaler Ordnung in den Blick zu nehmen. So ließe sich nach den narrativen Instanzen fragen, die sowohl in wissenschaftlichen Diskursen als auch in institutionellen Kontexten hermeneutische und beglaubigende Funktionen übernehmen und unterschiedlich personal besetzt werden können. Figuren wie der Gutachter, Protokollant, Übersetzer, Ghostwriter etc. könnten auf ihre diskursive Funktion und ihren strategischen Einsatz hin analysiert werden. Aber auch bestimmte Formen der Aufzeichnung und Speicherung könnten in den Blickpunkt rücken. Beispielsweise könnten das Gutachten und die Fallgeschichte untersucht werden, die seit dem 19. Jahrhundert privilegierte Formen der Erfassung, Bestimmung und Erzeugung von Identitäten darstellen. Die (auto)biographische Rede im Verhör und Geständnis, technische Apparaturen zur Identitätsbildung und -feststellung oder auch statistische Verfahren zur Erzeugung von Wahrheit und Wahrscheinlichkeit bieten sich hier für eine genauere Untersuchung an.

 

Erbeten sind Vorträge auf Deutsch oder Englisch von 20-25 Minuten. Proposals (300-500 Wörter) können bis zum 01. März 2005 an folgende Adresse geschickt werden: GK "Die Figur des Dritten". z. Hd. A. Höcker/J. Moser/P. Weber, Universität Konstanz, FB Lit.Wiss., Fach D 153, Universitätsstr.10, 78457 Konstanz. Oder im rtf-Format als Email an Arne Höcker, Jeannie Moser, Philippe Weber