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S. 67

uni’kon: Wie erinnern Sie Ihre Zeit in Konstanz,

sowohl als Student als auch als Wissenschaftler?

Prof. Dr. Anselm Haverkamp:

Ich hatte in Frei-

burg, Tours, Zürich und Bonn studiert, alles Pro-

vinzmetropolen mit einer großen akademischen

Tradition. Konstanz war dagegen klein, voll von alt-

deutschem Pathos, aber ohne den Hauch eines eige-

nen Begriffs von studentischem Leben. Das Inselhotel

war eine kongeniale historische Lokalität. Lokale wie

das „Scharfe Eck“ gegenüber, auf der anderen Seite

der Bahnschranke, das durchaus ein eigenes, in sich

verschlossenes altstädtisches Flair besaß, waren total

ahnungslos gegenüber der neuen Klientel der Studen-

ten, diesen unbekannten Wesen, die in „Bunkerles“

auf Allmannsdorfer Äckern hausten. Mit der Zeit än-

derte sich so manches, aber kaum das. Die Universität

war unverwechselbar, die „Konstanzer Schule“ der Li-

teraturwissenschaft eine Weltmarke geworden, aber

die Stadt selbst blieb nicht viel mehr als ihre Kulisse

– nicht ihr Teil, wie es die Studentenstädte Freiburg

oder Bonn waren und sogar die Weltstadt Zürich. Die

tiefe Konstanzer Reserviertheit hatte Charakter, ja sie

war sogar von einem gewissen Vorteil, denn dadurch,

dass sie die Universität nicht umstandslos integrierte,

schwebte diese für eine Weile über den Wassern des

Sees, eine internationale Fata Morgana im Föhn.

Sie waren der Student mit der Matrikelnummer 50

an der Universität Konstanz. Was hat Sie damals

hierhergeführt?

Einer meiner Freiburger Lehrer, der Althistoriker

Herbert Nesselhauf, gehörte zu den Gründungspro-

fessoren, und mein Bonner Lehrer, der Germanist

Richard Alewyn, schickte mich nach seiner Eme-

ritierung nach Konstanz. Die guten Leute in den

Geisteswissenschaften (diese beiden waren mit die

prominentesten) erwarteten viel von Konstanz, zu

Recht, wie sich zeigte. Die Konstanzer Reform führte

aus schwer beschädigten, korrumpierten Nachkriegs-

verhältnissen der deutschen Universität heraus; ein

Verdienst der Gründungsgeneration, das man viel zu

schnell vergessen hat. Ich vermute, man weiß heute

gar nicht mehr, was Konstanz bedeutet hat. Konstanz

war Reform, deshalb kam man her, auch als Student.

Statt in Berlin ‘68 Revolution zu machen, machten

wir in Konstanz seit ‘67 Sache.

Nach Ihrer Promotion in Heidelberg kamen

Sie für Ihre Habilitation zurück an die Universität

Konstanz. Was hat Sie dazu bewogen?

In Heidelberg wurde ich als Konstanz-Export Wis-

senschaftlicher Assistent; nach Konstanz kehrte ich

folgerichtig zurück, statt einem Angebot nach Berlin

zu folgen. Die Konstanzer Schule der Literaturwissen-

schaft, ich habe es schon erwähnt, hatte Weltruf. Von

Konstanz ging ich nach Yale, literaturwissenschaft-

lich damals so etwas wie der Zwilling von Konstanz,

und bekam von dort aus unter anderem einen Ruf an

die New York University, an der ich für 25 Jahre blieb.

Wie haben Sie von diesen exponierten

internationalen Wissenschaftsstandorten auf

die Universität Konstanz geblickt?

Ihre Frage illustriert, was ich eben bedauert habe:

Man weiß nicht einmal mehr in Konstanz, was Kon-

stanz war. Das sind keine Standorte; Universitäten

sind keine Industrieunternehmen. Yale, Harvard, NYU

sind akademische Lebensformen, und Konstanz war

auf dem besten Wege, eine zu werden. Das war keine

Frage des Marketing, des Standortvorteils, sondern

der methodischen Leistung und der konsistenten Re-

formarbeit.

Könnte man sagen, dass Sie in Ihrer Person

explizit oder implizit für die Universität Konstanz

Werbung gemacht haben?

Es war weniger eine Sache der Werbung als der Ko-

operation, des wechselseitigen Lernens, und nicht des

Wettbewerbs. Konstanz zeichnete sich dadurch aus,

auf internationalem Niveau operieren zu können,

Maßstäbe zu setzen, nach denen in übernationalen

Hinsichten gearbeitet, nämlich: voneinander gelernt

werden kann. Das ließ sich nur von wenigen Univer-

sitäten sagen und war schwer auf Dauer zu stellen  

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... und der Konstanzer Schule.

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