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S. 45

Als Prof. Dr. Günter Schatz 1976, vor 40

Jahren, an die immer noch junge Univer-

sität Konstanz berufen wurde – als letzter

des ersten Schwungs von Berufungen bei

den Physikern -, befand sich die Heimstatt

seiner Wissenschaft noch in der Konstan-

zer Bücklestraße, und der neu berufene

Professor konnte gerade mal ein Labor

sein Eigen nennen.

„Das war davor eine Fabrik für Rohr-

gestelle, die von der Universität ange-

mietet worden war. Und dort war auch

die zentrale Bibliothek untergebracht“,

erinnert er sich. Eine „irre Zeit“ sei das ge-

wesen, gleichzeitig für ihn aber auch die

interessanteste an der Universität Kons-

tanz, denn überall herrschte Pioniergeist.

Der war aber auch gefragt.

„Das Physikgebäude auf dem Gießberg

wurde ja erst 1988 fertiggestellt. Als

ich 1977 anfing, hatten wir leere Räu-

me, und wir haben uns jede Schraube

selbst gekauft. Wir mussten wirklich

bei null anfangen, und das war aufre-

gend.“

Schmunzelnd erzählt Günter Schatz heute

auch die Anekdote, wie er zusammen mit

seinem ersten Studenten die Dinge selbst

in die Hand nahm. Zur Kühlung des La-

bors war ein Ventilator erforderlich und

für dessen Einbau wiederum ein Durch-

bruch durch die Wand nach außen. Mo-

nate später rückte der offizielle Bautrupp

an, und da wusste schon keiner mehr zu

sagen, wieso bereits ein solcher Ventilator

vorhanden war.

Die Zahl der Studierenden war über-

schaubar, als Günter Schatz als Professor

in Konstanz anfing.

„In der Experimentalphysik fingen wir

mit vier Studenten im Diplomstudien-

gang an“,

erzählt er. Einige Zeit gab es tatsächlich

Bedenken, ob der Studiengang bestehen

bleiben könne.

„Die Zahl der Studierenden war da-

mals so niedrig, dass wir dachten, das

Ministerium macht uns unseren Laden

wieder dicht. Das kann sich heute kei-

ner mehr vorstellen. Und in der Physik

schon mal gar nicht.“

Die Situation änderte sich 1982 mit der

Berufung von Prof. Dr. Klaus Dransfeld,

der vom Max-Planck-Institut in Stuttgart

Bei allen technischen Neuerungen, die

durch die Verarbeitung großer Daten-

mengen neue Möglichkeiten erschlossen

haben, ist Günter Schatz doch auch kri-

tisch geblieben: Der Druck zu publizieren

sei erheblich angewachsen.

Und dann noch eine besondere Erinne-

rung an die Aufbaujahre an der Universi-

tät Konstanz.

„Die USA waren für uns in den Sieb-

zigerjahren das Mekka. Wir hatten da

Apparate, die hatten wir vorher noch

nie gesehen. Wir sind dann zurück

nach Deutschland gekommen und

haben versucht aufzubauen. Und wir

haben hier den sogenannten ‚Stil der

offenen Tür‘ eingeführt – das kommt

aus den USA. Sie sehen, meine Türen

sind offen. Der Spirit ist der, dass jeder

kommen und mit dem Professor reden

können soll. Und das war damals an

vielen deutschen Universitäten noch

undenkbar.“

Günter Schatz ist emeritiert, aber nach

wie vor an der Universität Konstanz anzu-

treffen, wo er sich auf unterschiedlichsten

Gebieten engagiert, unter anderem beim

Thema Technologietransfer und als Be-

auftragter für die Partnerschaft mit der

Universität Tel Aviv. 40 Jahre der 50 Jahre,

die die Universität Konstanz jetzt exis-

tiert, hat er miterlebt und auch mitgestal-

tet – unter anderem in den 1990er Jahren

auch als Prorektor für Forschung. Selbst

wenn es kaum möglich ist, diese Jahre

zusammenzufassen, lässt sich für Günter

Schatz wohl doch ein Fazit ablesen, was

die Universität Konstanz als Lebensum-

feld bedeuten kann:

„Ich fand das sehr, sehr spannend, an

einer neuen Universität zu sein und Pi-

onierarbeit zu leisten. Und ich muss im

Nachhinein sagen: Das war die schöns-

te Zeit. Wir haben gute Forschung ge-

macht, später noch bessere. Aber wir

haben schon am Anfang gut losgelegt.

Das war für mich als junger Mann eine

tolle Universität. Aber auch heute

noch: Ich kann mir mein Leben nicht

anders vorstellen. Ich brauche die Uni-

versität. Das ist für mich Lebensglück.“

nach Konstanz kam und wissenschaftspo-

litische Erfahrung mitbrachte.

Unter seiner Federführung wurde 1984

der erste Sonderforschungsbereich (SFB)

in der Physik an der Universität Konstanz

eingerichtet.

„Seit dieser Zeit hat die Physik unun-

terbrochen Sonderforschungsberei-

che, das heißt, jetzt 32 Jahre ohne ei-

nen Tag Unterbrechung. Das war eine

Großtat. Die Physik hat sich sehr gut

etabliert, das darf ich in aller Beschei-

denheit sagen. Wir sind bei Rankings

sehr früh unter den ersten fünf bis

zehn in Deutschland gewesen“.

Vieles, was heute weder im Alltag noch in

der Wissenschaft wegzudenken ist, gab es

in den 1970er Jahren noch nicht oder nur

in Vorstufen. Als Günter Schatz 1973 aus

den USA kam, gab es dort schon zahlrei-

che Rechner. Allerdings nicht mit dem,

was dann als PC seinen Siegeszug antrat.

Rechner nahmen unter Umständen ganze

Räume ein. Eine weitere Anekdote, die

sein Leben als Wissenschaftler begleitet,

geht in die frühen 1970er Jahre zurück, als

Günter Schatz Assistent in Erlangen war:

„Etwa 1972 wollte ich dort einen HP-

Taschenrechner kaufen, und da hat der

Institutsdirektor mir das mit der Be-

gründung verweigert, dass wir ‚so ein

Spielzeug‘ nicht brauchten. Das war

ein Rechner, der konnte gerade die vier

Grundrechenarten und Wurzeln ziehen

– das war alles. Und ich glaube, er hat

800 Mark gekostet“.

Wie die Physik in Konstanz zum Vorrei-

ter in Sachen E-Mail wurde, weiß Günter

Schatz auch noch ganz genau.

„Das muss Ende der Siebzigerjahre ge-

wesen sein. Wieder lag ein Forschungs-

aufenthalt in den USA hinter mir. Dort

hatte ich gehört, dass es so etwas wie

E-Mail gibt. Ich habe das dann mei-

nem Kollegen Dr. Froboese erzählt,

der sich um die Computer gekümmert

hat. Und der hat das bei uns dann auch

eingerichtet. Das Rechenzentrum war

damals noch nicht soweit, es wusste

damals weniger als wir. Wir Physiker

waren an den allerersten Entwicklun-

gen einfach näher dran."

»

Als die Wissenschaft noch

keine Computer kannte.

«

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