Konstanz - Kunstwissenschaft


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Bildsemiotik - Teil 2


Steffen Bogen, Kunstwissenschaft/Kunstgeschichte,
Universität Konstanz




2. Zur Aktualität der Bildtheorie


Bilder prägen unseren Alltag heute ebenso wie verbale Sprachen. In dem Maß, in dem die Bilder als zentrale Manifestationsform von Kultur bewußt werden, wächst das Interesse an der Historisierung des Problems: Welche Rolle haben Bilder in früheren Epochen gespielt, welche Rolle spielen sie in anderen Kulturen? Auch in der Kunstgeschichte rangiert die Frage nach den Bildern zunehmend vor der Frage nach der Kunst. Man spricht vom "iconic turn" und debattiert über die "Visual Culture" (vgl. auch den vor kurzem an der Universität Konstanz veranstalteten Workshop).
Das Potential der traditionellen Semiotik wird im Rahmen dieser neuen Bildwissenschaft häufig kritisch beurteilt. Das will ich mit einigen kurzen Literaturhinweisen belegen.

James Elkins leitet ein 1998 in Cambridge erschienenes Buch über "Pictures and the Words That Fail Them" mit dem Bekenntnis ein, er hätte eine Art "Antisemiotik" geschrieben. Das Bild und darin steht er in der angesprochenen Tradition der Text-Bild-Gegenüberstellung ist für ihn das ambivalente, zwielichtige, das sich einer eindeutigen rationalen Festlegung widersetzt. Bilder tendieren für ihn generell zur Unlesbarkeit und Bedeutungslosigkeit, sie verweigern sich einer einfachen Narration, bleiben opak und schwierig. Genau diese Phänomene so Elkins - spreche die semiotische Analyse den Bildern ab. Damit verdecke sie das eigentliche Phänomen der Bildlichkeit.

Eine andere Antisemiotik hat Lambert Wiesing mit seiner 1997 erschienenen "Sichtbarkeit des Bildes" geschrieben. Seine Entwicklungsgeschichte der formalen Ästhetik will nachweisen, daß Bilder im 20. Jahrhundert ihren Zeichencharakter vollkommen verloren haben. An die Stelle der Referenz sei die reine Sichtbarkeit der vom Gegenstand abgelösten Form getreten. In dieser Hinsicht konvergieren für ihn so unterschiedliche Phänomene wie die gegenstandslose Kunst der Moderne und der Videoclip der 80er und 90er Jahre. Bei letzterem sehe man nur noch das schnelle Schnittempo nicht mehr das Dargestellte.

Beide Autoren, Elkins und Wiesing, negieren auf unterschiedliche Weise die Bedeutung des Begriffs "Repräsentation" für die Analyse von Bildern. Es bleibt allerdings zu fragen, wie weit sie mit dieser Negation nicht doch innerhalb des semiotischen Paradigmas bleiben (was wohl zumindest Wiesing nicht bestreiten würde): Auch der Antichrist ist bekanntlich eine christliche Erfindung und mit dem Antisemiotiker könnte es sich ähnlich verhalten.

William Mitchell ein weiterer Kritiker der Semiotik im Bereich der Bildwissenschaft benutzt den Begriff "Repräsentation" durchaus als Schlüsselbegriff. Er spricht in der Regel von "Repräsentationen", verwendet den Begriff also im Plural. Damit markiert er, daß "Repräsentationen" in aller Regel gemischt auftreten, das heißt aus visuellen und verbalen Anteilen bestehen.

Mit der Frage nach gemischten Repräsentationen greift er auf ein semiotisches Vokabular zurück, grenzt sich jedoch zugleich gegen die traditionelle Zielsetzung der Methode ab. Sein Interesse besteht nicht darin, eine gemeinsame Grundlage von Text und Bild zu definieren. Für ihn ist eine solche Frage falsch gestellt: Er glaubt nicht, daß die Differenz von Bild und Wort theoretisch verallgemeinerbar ist. Das Verhältnis von Schreiben und Malen nennt er mit Foucault "unendlich".

Die Leitmetapher von Mitchell ist die konkrete Auseinandersetzung: Die Zusammenführung von Bild und Wort treibt demnach stets Konflikte hervor. Bei deren Verallgemeinerung ist Mitchell vorsichtig das unendliche Verhältnis von Schreiben und Malen betrifft auch sein eigenes Schreiben über die Bilder. Ich polarisiere vielleicht stärker als er es selbst tut, wenn ich feststelle, daß Bilder bei ihm tendenziell für eine hierarchische und asymmetrische Kommunikationstehen: den latent manipulierenden Bildproduzenten stehen die latent manipulierten Bildkonsumenten gegenüber. Mitchell weitet damit ein Argument der kulturkritischen Medientheorie auf die Bilder insgesamt aus.

Dem semiotischen Ansatz wirft er vor, die Dramatik des Bild-Text-Konflikts zu unterschätzen. Der Versuch, eine allgemeine Theorie der Repräsentation zu schreiben, sei der gesellschaftlichen Praxis unangemessen und müsse so auch ohne jeden Einfluß auf diese Praxis bleiben.

Neuere Ansätze in der Bildtheorie bestehen also darauf, daß in der Gegenüberstellung von Wort und Bild immer auch ein Rest des Unvergleichbaren bleibt. Selbstverständlich kann auch innerhalb semiotischer Theorien das Verhältnis von Bild und Wort als Differenz beschrieben werden. Dennoch muß der Ansatz einer allgemeinen Zeichentheorie davon ausgehen, daß diese Differenz verallgemeinerbar und aus einem übergeordneten Zeichen- oder Kommunikationsmodell heraus zu begründen ist. Gegen diese Grundannahme wenden sich in unterschiedlicher Form die Bücher von Elkins, Wiesing und Mitchell.

Allerdings muß der Begriff "Bild" häufig selbst ein weites Spektrum von Phänomenen abdecken. Wir sprechen von sprachlichen, mentalen oder materiellen Bildern. Als Bilder können klassische Leinwandgemälde ebenso wie bewegte Bilder auf der Kinoleinwand oder digitalisierte Pixelbilder auf dem Computer bezeichnet werden. Ausgehend von diesem Befund, ist es das Anliegen von Klaus Sachs-Hombach und Klaus Rehkämper, Herausgeber einer neuen Reihe "Bildwissenschaft" die Fragestellungen zu bündeln, die verschiedene wissenschaftliche Disziplinen an Bilder richten. Der erste Band der neuen Reihe, der den Titel "Bildgrammatik" trägt, versammelt Beiträge aus der Philosophie, Psychologie, der Kunst- und Medienwissenschaft. Als Vergleichsgrundlage greifen die Herausgeber auf semiotische Kategorien zurück: So sind nach dem Band zur Bildsyntax weitere Bände zur Bildsemantik und Bildpragmatik geplant. Es gibt also auch im Bereich der Bildwissenschaften den Versuch, an semiotische Traditionen anzuknüpfen.

Mit der folgenden Einführung möchte ich die Frage, welche Rolle die alte "Semiotik" in der neuen Bildwissenschaft spielen kann, keineswegs umfassend beantworten oder gar entscheiden. Es werden auch keine speziellen Semiotiken des Bildes vorgestellt. Die Versuche, eine solche Theorie zu schreiben, sind zahlreich. Ihre Qualität ist sehr unterschiedlich. Ein Klassiker der Medienwissenschaft ist etwa die Filmsemiotik von Christian Metz. Einen Überblick über verschiedene semiotische Ansätze im Bereich der Kunstgeschichte gibt der 1994 im Art Bulletin erschienene Artikel von Mieke Bal und Norman Bryson.

Ziel der Einführung ist es vielmehr, zwei semiotische Basistheorien direkt vorzustellen und nach ihrer bildtheoretischen Relevanz zu fragen.

 


3. Eine Wurzel der modernen Semiotik: strukturalistische Linguistik


Die allgemeine Semiotik kann als Theorie der Bedeutungskonstitution definiert werden. Sie fragt nach der Bedeutung. Sie fragt allerdings nicht: Was ist die Bedeutung, was ist der Sinn? Sie fragt: Wie macht etwas Sinn, das heißt unter welchen Bedingungen entsteht Bedeutung? Die Semiotik versucht, Formen zu analysieren, die Bedeutung entstehen lassen, und den sprachlichen Kontext zu rekonstruieren, in dem sich die Bedeutung konstituiert.

Die moderne Semiotik hat zwei Wurzeln:Die Wurzeln der europäischen, strukturalistischen Semiotik liegen im Bereich der Linguistik. Als Begründer dieser Semiotik die sich zunächst Semiologie nannte gilt Ferdinand de Saussure (1857-1913). Der Begründer der amerikanischen, pragmatischen Semiotik ist Charles Sanders Peirce. Ihre Wurzeln liegen im Bereich der Logik und Philosophie.

Die strukturale Linguistik hat die Entwicklung der Literaturwissenschaften entscheidend geprägt. Die pragmatische Semiotik von Peirce hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Philosophie des 20. Jahrhunderts gehabt. Es gibt also nicht nur zwei Wurzeln der Semiotik, sondern auch zwei Bäumchen der Semiotik. Einige Semiotiker wie etwa Algirdas-Julien Greimas halten die Theoriekonzepte sogar für unvereinbar. Andere wie Umberto Eco haben für eine Vermittlung plädiert, ohne daß daraus eine wirklich vereinheitlichte dritte Theorie entstanden wäre. Die Semiotik muß mit diesem Schisma in gewisser Weise leben. Ich will die Ansätze im folgenden auch getrennt vorstellen.

 

3.1. Strukturalistische Erzähltheorie


Der Abschnitt zur strukturalistischen Semiotik soll relativ kurz gehalten werden. Nicht weil mir der Ansatz unsympathisch wäre, sondern weil man in einer kurzen Einführung nicht beides machen kann: Die strukturalistische Semiotik und die Peircesche Semiotik gleichermaßen ausführlich vorstellen.

Die strukturale Semiotik geht davon aus, daß es nicht das einzelne Ding ist, das Sinn macht, sondern daß sich Bedeutung in materiellen Differenzen manifestiert. Das Nicken mit dem Kopf, das für "Ja" steht, macht nur Sinn, weil das Schütteln das Kopfes für "Nein" steht. Die These, daß die Differenz das entscheidende ist, erfährt eine schöne Bestätigung durch Kulturen, in denen das horizontale Kopfschütteln für "Ja" und das vertikale Nicken mit dem Kopf für "Nein" steht.

Ich will aus dem Bereich des Strukturalismus Algirdas-Julien Greimas hervorheben, der in literaturwissenschaftlichen Zusammenfassungen meist nur als Rand- und Gegenfigur zum "Helden" Roland Barthes erwähnt wird. Während Barthes so die kanonische Darstellung den Übergang von der strukturalistischen Analyse zum poststrukturalistischen Schreiben geschafft hat, formalisierte Greimas halsstarrig seine Erzähltheorie.
Erklärtes Ziel dieser Theorie war es, eine narrative Grammatik zu schreiben, die "transmedial" funktionieren sollte: Alles wurde zum Text erklärt seien es mündliche, schriftliche, bildliche oder musikalische Texte und in allem sollten sich sofern sich überhaupt so etwas wie Sinn aufzeigen ließ konstante narrative Strukturen manifestieren.

Während die Literaturwissenschaft dieser Form von Verallgemeinerung in den 80er Jahren überdrüssig wurde, wurde sie für die Bilder gerade erst entdeckt. Die in der Kunstgeschichte vorherrschende Methode der Bedeutungsanalyse die Ikonographie kann immer nur nach der Ableitung einzelner Bildmuster fragen. Mit Hilfe der strukturalistischen Erzähltheorie kann die Frage nach der Kombination von Bildmotiven und Bildfeldern im Rahmen einer Bilderzählung gestellt werden.




Bibel von San Paolo fuori le mura
1 Bibel von San Paolo fuori
le mura
, Rom, Bibliothek von San Paolo fuori le mura, fol. 307v, Bildseite vor den
Paulusbriefen, 450x350mm,
um 870




Als Beispiel sei eine Bildseite (Abb. 1) aus der um 870 entstandenen karolingischen Bibel von San Paolo fuori le mura (fol. 310 v). Ein ikonographischer Ansatz würde die Motive aus denen sich die drei Bildregister zusammensetzen, isolieren und nach Vorlagen in älteren Handschriften fragen. Unanalysiert blieben damit die Prinzipien, mit denen die Motive ausgewählt, neu kombiniert und koordiniert wurden.

Die Bildseite erzählt die Geschichte der Bekehrung des Saulus zum Paulus. Man könnte zunächst davon ausgehen, daß die Szenen nach einem einfachen chronologischen Prinzip innerhalb der Spalten von links nach rechts und im ganzen der Bildseite von oben nach unten aufgereiht worden sind. Ich will die Szenen im folgenden in dieser Hinsicht kurz identifizieren, ohne eine genaue Bildbeschreibung zu geben:

1. Bildregister (oben):
links: Saulus erhält vom Hohenpriester den Auftrag zur Christenverfolgung
rechts: Saulus stürzt vor Damaskus, von einer Lichterscheinung geblendet

2. Bildregister (in der Mitte):
links: Saulus wird blind nach Damaskus geführt
Mitte: Saulus wird von Ananias geheilt
rechts: Gott beauftragt im Traum den Ananias, Saulus zu heilen.

Vivian-Bibel
2 Vivian-Bibel, Paris, Bibliothéque Nationale, Cod. lat. 1, fol. 386v, Ausschnitt

Hier entsteht das Problem: Chronologisch ist der Auftrag an Ananias, Saulus zu heilen vor der Heilung zu denken. Bei einer einfachen chronologischen Reihung der Szenen müßte die Traumszene also links von der Heilung stehen so wie es die wenige Jahrzehnte zuvor entstandene Vivian-Bibel (Abb. 2) zeigt: Im zweiten Bildregister links den Traum des Ananias, rechts daneben die Heilung des Saulus in Damaskus. Warum stellt die einige Jahrzehnte später entstandene Bibel von San Paolo, die auf dieselben Bildmuster zurückgreift, die Szenen um?

Der Buchmaler hat versucht, nicht die chronologische, sondern die inhaltliche Ordnung der Geschichte anschaulich zu machen. Die Umstellung der Szenen macht dabei in horizontaler und vertikaler Richtung Sinn (Abb. 1):
Im horizontalen, mittleren Bildregister kann dadurch gezeigt werden, wie ein hilfsbedürftiges Subjekt und sein Helfer in der Geschichte zusammengeführt werden. Es baut sich eine starke Dynamik vom Rand zur Mitte hin auf. Das glückliche Zusammentreffen von Saulus und Ananias kann ins Zentrum der ganzen Bildseite gerückt werden.

 

In vertikaler Hinsicht wird durch die Verlagerung des Traums an den Rand die Analogie zur Vision des Saulus vor Damaskus anschaulich gemacht. Die erste und zweite Bildzeile werden nun ganz ähnlich abgeschlossen. In beiden Fällen erscheint die Hand Gottes in einer rötlichen Wolke und adressiert eine liegende Gestalt, die als Zeichen der Aufmerksamkeit und Empfangsbereitschaft die Hand hebt. Gerade in den verdrehten Empfängern der Vision und des Traums (die von der ikonographischen Kunstgeschichte belächelt wurden), erkennt man die Anstrengung, die der Buchmaler unternommen hat, die beiden Szenen aneinander anzugleichen. Man könnte von einem "visuellen Endreim" sprechen.

Das Beispiel zeigt, wie die Zusammenstellung von Motiven auf ihre Funktion in der Geschichte abgestimmt sein kann. Semiotisch gesprochen: Die Syntax der Bilderfolge ist semantisch motiviert. Solche Prozesse können mit Hilfe der Erzähltheorie von Greimas sehr gut analysiert werden.

Das Potential dieser Methode für die Kunstwissenschaft wurde maßgeblich von Felix Thürlemann erschlossen, dessen Buch "Vom Bild zum Raum" ich an dieser Stelle nachdrücklich empfehle.


Saussure - Schemata
3 Ferdinand de Saussure, Cours de linguistique générale, Paris 1979, 99.

3.2. Das Zeichenmodell von F. de Saussure

Die strukturalistische Semiotik hat jedoch, was die Analyse von Bildern betrifft, mit einer Art "Geburtsfehler" zu kämpfen. Damit sind diese drei Schemata gemeint, insbesondere der Baum, der darauf zu sehen ist: Die Schemata (Abb. 3) sind dem "Cours de linguistique générale" von Ferdinand de Saussure entnommen, der Gründungsschrift der europäischen Semiotik.

Mit den Schemata wird das grundlegende Zeichenmodell von Saussure veranschaulicht: Er definiert das Sprachzeichen als die Verbindung aus einem Lautbild (Image acoustique) und einer inhaltlichen Vorstellung (concept). Das Lautbild ist eine mentale Abstraktion vom gesprochenen Wort. Es kommt dabei nicht auf die sinnliche Qualität der Laute, sondern auf ihre Differenzen zu anderen Lauten innerhalb des Sprachsystems an.

Das Lautbild ist die eine Seite des Zeichens, der Saussure den Namen das Bezeichnende (signifiant) gibt. Die andere Seite des Zeichen nennt Saussure das Bezeichnete (signifié). Entscheidend ist, daß damit kein externer Referent gemeint ist, sondern ein ebenfalls mentales inhaltliches Konzept. Das Zeichen (signe) ist dann definiert als konventionelle, das heißt als nicht motivierte, arbiträre Zuordnung von signifiant und signifié.

Saussure führt als Beispiel das lateinische Wort "arbor" an, das mit der Vorstellung von "Baum" verbunden ist. Das französische «arbre» wird im oberen Teil des Diagramms in doppelte Häkchen gesetzt, um anzuzeigen, daß hier nicht das Lautbild des Wortes gemeint ist, sondern das damit verbundene inhaltliche Konzept. Um dies weniger mißverständlich zu machen, wird das Schema daneben noch einmal mit der stilisierten Figur eines Baums wiederholt ohne hier noch einmal irgendwelche Häkchen anbringen zu müssen. Und das ist der semiotische Sündenfall dieses linguistischen Modells. Im oberen Teil des Diagramms steht das Bild ja nicht für die graphische Form, die erst noch mit einem Inhalt korreliert werden muß, sondern für den Inhalt selbst. Mit einem solchen Modell scheint es schwierig, Bilder ebenso wie geschriebene Worte überhaupt als signifiant als Bezeichnendes analysieren zu können. Aber genau dies wäre ja die Aufgabe einer allgemeinen Zeichentheorie. Das Schema veranschaulicht somit den Vorwurf, der der Semiotik häufig gemacht wird: Daß sie trotz gegenteiliger Beteuerungen letztlich doch ein linguistisches Modell geblieben ist.

Genau betrachtet, taucht das Bild allerdings dreimal in diesem Schema auf. Zunächst spricht Saussure ja vom Lautbild: Das Französische macht den Anteil "Image" an dieser Kombination sehr deutlich. Bei der Differenzierung von Lauten spielen demnach in einem übertragenen Sinn "Bilder" (im Sinne von Typen) eine gewisse Rolle. Daneben erscheint das Bild - wie gesehen - in Form des gezeichneten Baums als Verweis auf ein inhaltliches Konzept. Schließlich läßt sich aber auch das ganze Schema als Schaubild oder als diagrammatisches Bild bezeichnen, in dem die Struktur des Zeichens veranschaulicht werden soll.

Bilder sind in diesem Zeichenmodell somit gradezu omnipräsent: Sie spielen bei der Definition des signifiant eine Rolle, bei der Veranschaulichung des signifié und bei der Dastellung der Korrelation von signifiant und signifié. Was von de Saussure gerade gedanklich getrennt und wider aufeinander bezogen werden soll, verschwimmt sozusagen in der unterschwelligen Allgegenwart des Bildes. Über solchen Verwicklungen kann man sehr wohl zum Poststrukturalisten werden.






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© Steffen Bogen


geändert am 2. Mai 2000