5.2

Aus dieser knappen Geschichte der Textadressen und der Anmerkungen im Entstehungsprozess der modernen Wissenschaft geht ein doppelter Zweck der Anmerkung hervor.

Sie dient dazu, die im Text formulierten Argumente und (neuen) Erkenntnisse hinsichtlich ihrer Grundlagen in den Quellen und Informationen aus der bisherigen Forschungsliteratur auszuweisen (und sie so für die nachfolgende Wissenschaft überprüfbar zu machen, damit über ihre Wahrheit begründet entschieden werden kann), sie in den Diskurs der Wissenschaft einzubringen und sie zu verorten. In den Diskurs der Fachwissenschaft eingebracht werden sie, indem man aus der Perspektive der eigenen neuen Erkenntnis die bisherigen Forschung kritisiert, sich von ihr abgrenzt und so zu ihrem Wahrheitsanspruch (an den für die eigene Argumentation relevanten Stellen) explizit Stellung nimmt. Verortet werden die eigenen Erkenntnisse, indem man in den Anmerkungen nachvollziehbar macht, wo man in der Entwicklung der eigenen Gedanken mit der bisherigen Forschung konform geht, sich auf sie stützt - oder wo man eben von ihr abweicht; damit wird die eigene Erkenntnis als Erkenntnisgewinn identifizierbar.

Fußnoten

Anthony Grafton, Die tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote, Berlin 1995, S. 29.

In einer neueren – sehr lesenswerten – Geschichte der Fußnote ist dies so zusammengefasst: “Allein dank der Fußnoten ist es Historikern möglich, ihre Texte nicht zu Monologen, sondern zu Gesprächen zu machen, an denen moderne Wissenschaftler, ihre Vorgänger und ihre Gegenstände allesamt teilhaben.” 1

1 Anthony Grafton, Die tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote, Berlin 1995, S. 227; Grafton allerdings arbeitet den Zusammenhang zwischen Entwicklung des Buchdruckes, der Entstehung der modernen Wissenschaft und der Entstehung der Fußnote nicht systematisch heraus.