4.2.4

Welche Geschichte hat die Karikatur?
Bereits im Altertum und im Mittelalter lassen sich karikierende Darstellungen bezogen auf Personen, Personentypen und –gruppen nachweisen. Doch erst mit Erfindung des Buchdrucks wird über die Medien der Flugschrift und der Flugblätter die Karikatur massenwirksam. Vor allem Spottbilder, die unzweideutig Stellung in den heftigen ideologischen Auseinandersetzungen um den wahren Glauben beziehen, haben die Meinung und Einstellung mancher Zeitgenossen beeinflusst.

Die bereits erwähnte Verschmelzung von Spott- und Zerrbildern erfolgt dann besonders in England im 18. Jahrhunderts. Mit der Karikatur wird hier Sozial- und Gesellschaftskritik zukunftsweisend betrieben. In Frankreich ist es die Französische Revolution, in der die Karikatur große Breitenwirkung in den vielfältigen Auseinandersetzungen erzielt. Denn diese tendenziösen visuellen Urteile erreichen die analphabetischen Massen eher als das geschriebene Wort. In Deutschland ist es die vorrevolutionäre Gärung und die Revolution von 1848/49 selbst, die als Motoren einer stärkeren Verbreitung der Karikatur sorgen. Zeitschriften wie die “Freikugel” (1842), dieFliegenden Blätter” (1844), “Kladderatdatsch” (1848) stellen die Karikatur in den Mittelpunkt ihrer politischen Agitation. Letztgenannte Zeitschrift sowie der “Simplizissimus” (1896) beeinflussen ebenfalls im Kaiserreich die Meinungsbildung, unterstützt von den zahlreichen Karikaturen in der Tagespresse. Diese Entwicklung setzt sich kontinuierlich fort: im Ersten Weltkrieg ist es der militärische Feind, der mit schärfsten Federstrichen besiegt werden soll. Auch sollen die Karikaturen helfen, den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu stärken.

Gleichgewicht

“Sire, geben Sie sich zufrieden! Ich habe mehr Muskeln und mehr Länge als Sie, dafür haben Sie mehr Embonpoint und mehr Maße als ich!”, Berliner Punch 1866.

In der Weimarer Republik wird die Karikatur in den vielen emotionalisierten politischen Auseinandersetzungen als Propagandainstrument von allen Seiten eingesetzt und die zahlreichen gesellschaftspolitischen Probleme pointiert aufgegriffen. Dann verseuchen während der NS-Diktatur beispielsweise die antisemitischen Karikaturen, die Köpfe vieler Zeitgenossen.

Unter Rückgriff auf diese beschriebenen Traditionslinien setzt sich die Verbreitung und Popularität der Karikatur während der Nachkriegszeit und nach der Entstehung der beiden deutschen Staaten fort. In der Bundesrepublik wird die Karikatur zum beliebten Instrument in den vielfältigen innenpolitischen Auseinandersetzungen. Bei außenpolitischen Themen liegt ein Schwerpunkt in der politisch-ideologischen Auseinandersetzung mit dem Gegner jenseits der Ost-West-Grenze. Deshalb lassen sich auch viele Karikaturen zum Deutschlandproblem findet. In der DDR dient die Karikatur zur Systemstabilisierung, in dem sie als Propagandamittel der Abgrenzung zu Feinden innerhalb und außerhalb des Landes verwendet wird.

Von der gegenwärtigen Beliebtheit dieser Bildgattung zeugen die unzähligen Karikaturen innerhalb der Tages- und Wochenpresse, deren Zeichner alle gesellschaftlich relevanten Themenfelder aufgreifen.