Internet, CD-ROM und auch DVD gelten in der Geschichte derzeit noch kaum als Quellenmaterial für aktuelle Forschungen. Vielmehr stellen sie modern und
zeitgemäß, das bedeutet kompakt und schnell, große Informationsmengen zur Verfügung. Sie werden insbesondere als Nachschlagewerke genutzt, deren Vorteile vor allem in der direkten Anwendbarkeit am Arbeitsplatz liegen, sofern dieser
entsprechend ausgestattet ist. Welchen
Quellenwert aber besitzen CD-ROM und Internetseiten für Historiker auch dann, wenn sie selbst nicht den Forschungsgegenstand einer Technikgeschichte darstellen? In allen Fällen handelt es sich um digitale Datentransmitter, die durch vier Besonderheiten charakterisiert werden: Systemhaftigkeit,
Interaktivität, Multi- und Hypermedialität. 1. Systemhaftigkeit: darunter soll hier die Tatsache verstanden werden, dass CD-ROM, Internet und DVD keine nutzbaren Einzelstücke sind. Sie sind in ein technisches Ensemble von
Gerätschaften (und den damit verbundenen Kompetenzen und Kulturen) eingebunden. Es handelt sich trotz der Synekdoche immer um Medienverbundsysteme, durch die diese Medien erst kommunikativ wirksam werden können. Mit einer eher
oberflächlichen Typologie kann man hier von Tertiärmedien sprechen, die im Gegensatz zu Primär- und Sekundärmedien technische Hilfestellungen bei der Erstellung ebenso wie bei der Nutzung benötigen (Im Gegensatz zu beispielsweise
Sprache als Primär- und Buch als Sekundärmedium). Aber diese technischen Rahmen sind gleichzeitig auch der Ausgangspunkt einiger für die Quellenlage relevanter Probleme. Etwas anders
sieht es bei den portablen Datenträgern wie CD-ROM und DVD aus, deren Archivierbarkeit grundsätzlich einfacher scheint. Die Zweifel an ihrer Überlieferungsfähigkeit werden hinsichtlich der technischen Haltbarkeit sowie der
Zukunftsfähigkeit der jeweiligen Interpretationstechnologien gesetzt.5 Ob auch in fünfzig Jahren DVDs noch gelesen werden können, ist derzeit völlig offen. Schon jetzt fällt es oft schwer, für die durchaus verbreiteten Magnettonbänder, die jahrzehntelang den Standard für private Tonarchivierung darstellten, die entsprechenden Abspielgeräte zu finden, die selbst wiederum museal geworden sind. Während aber Magnetleser technisch ohne weiteres zu reproduzieren wären, ist die Betriebssoftware für Computer und Anwendungen deutlich kurzlebiger. Die älteren Programmiersprachen wie beispielsweise Cobol werden heute nicht mehr verwendet, was für die Wartung alter Geräte bisweilen Probleme schafft. Ein anderes Beispiel sind alte Speichermedien wie die 5 ¼ -Zoll-Diskette oder die so genannte Datasette, deren Abspielgeräte ebenfalls nicht mehr verwendet oder hergestellt werden. Und selbst die Tage der 3,5-Zoll-Diskette scheinen gezählt, wenn man den forschen Ankündigungen einiger PC-Hersteller glauben mag, die PCs künftig standardmäßig ohne entsprechende Laufwerke ausrüsten wollen.
Sicher ist derzeit nur, dass sich die technischen Standards verändern werden. Schon jetzt ist die Geschichte der CD-ROM durch sechs internationale Standardisierungen gekennzeichnet. Diese Standards werden aufgrund der
unterschiedlichen Einbandfarben der Vertragswerke auch als „Regenbogenbücher“ bezeichnet (white, blue, orange, green, yellow, red book) und schreiben technische Verfahren für unterschiedliche Verwendungszwecke der CD-ROM fest.
Noch unsicherer als bei der CD-ROM ist derzeit die Dauerhaftigkeit der DVD, bei der sich die beiden großen Herstellergruppen (Sony/Philips und Toshiba-Gruppe) nach wie vor nicht auf einen einheitlichen technischen Standard geeinigt
haben. 2. Interaktivität: Die Interaktivität zwischen Benutzer und Datenträger oder besser Nutzer und Angebot besteht idealerweise in einer Vielzahl von Zugangsweisen zu den digitalen Informationen. Schon die 1982 etablierte
Musik-CD zeichnete sich gegenüber der Vinylplatte durch die gezielte Ansteuerung einzelner Lieder, durch random access oder loop-Optionen aus, die freilich nur durch die entsprechenden Geräte nutzbar waren. Die Hoffnungen
moderner Lehrtheorien ruhen auf diesen Möglichkeiten interaktiver, individueller Informationsgestaltung. 3. Multi- und Hypermedialität Ein Wesensmerkmal der neuen Medien ist ihre
vielschichtige Integration anderer Medien. So integrieren Daten-CD-Roms und Internetseiten Ton, Bild, Grafik und Text. Entscheidender Unterschied zum Fernsehen dabei ist die durch Schalt- und Befehlspaneels angebotene
Interaktivität, die es dem Nutzer überlässt, ob er die zur Verfügung stehenden Medienangebote auswählt oder nicht und damit seine eigene Wissensumgebung schafft. Soweit zumindest die Theorie. Die Informationen in diesen Medien sind
also nicht linear wie in den klassischen Textzeilen angeordnet und nacheinander abrufbar. Modular gruppieren sie sich um einen Navigationsschwerpunkt, der ganz unterschiedlich gestaltet sein kann. Sie sind vielfach miteinander
vernetzt und ermöglichen so eine maximale Anzahl von Kombinationen und Wahrnehmungsreihenfolgen. Diese besondere Qualität der neuen Medien führt zu neuen Kommunikationsformen. Ein weiterer Punkt hängt
damit zusammen. Multimediale Anwendungen integrieren verschiedene mediale Grundtypen wie Bild, Schrift und Text. Sie gestalten diese Medien zu einer neuen layout- und nutzerorientierten Umgebung. Um eine CD-ROM auszuwerten, muss
man also sowohl Textgestaltung (Typographie, Satzbild, Graubild), Grafik und Farben, als auch Bildeinsatz und die Gesamtkonzeption betrachten, um Zielpublikum und Autorenintentionen zu erfassen.
Die Dominanz der Fragestellung lässt es jedoch zu, auch nur Teilbereiche genauer zu betrachten. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die neuen Medien in Gestalt von CD-ROM, Internet und DVD zwar bereits eine vielseitige
eigene Geschichte haben, ihr Quellenwert aber noch ebenso im Fluss ist, wie ihre Verwendung und Archivierung. Sicher ist, dass elektronische und opto-magnetische Datenspeicher zunehmend in die Archive wandern werden, da auch
Archive der Steigerung der Raumnutzungseffizienz verpflichtet sind. Der Informationsgehalt dieser Medien (und nicht nur dieser) geht weit über den Textinhalt hinaus. Sie sind vielsagende Quellen zur Erforschung ästhetischer aber
auch und vor allem kommunikationsstrategischer Überlegungen ihrer Gestalter und über den jeweiligen Stand der Medienkompetenz. |
1: z.B. Stuart Jenks, Stephanie Marra: Internethandbuch Geschichte, Stuttgart 2001.
http://www.sfk-online.com/support/internet/internetgeschichte.php |
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