4.3.2.7

1. Warum werden Orte angegeben?

2. Die klassischen Probleme und: Wie werden Orte angegeben?
 

1. Warum werden Orte angegeben?
Außer bei Zeitschriften wird der Erscheinungsort stets angegeben. Dies ist aus der gegenwärtigen Praxis nicht leicht zu begründen, da der Verlag, der in dem Ort den Sitz hat, bei Historikern nicht genannt wird. Eine Suche nach einem Titel nur nach dem Verlagsort dürfte nur Kennern der Verlagslandschaft leicht fallen.
In den früheren Zeiten des Buchdrucks waren mit bestimmten Verlagsorten jedoch bestimmte Erwartungshaltungen an die Bücher verbunden: Was in der Reformationszeit in Wittenberg oder Genf gedruckt wurde, war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine päpstliche Streitschrift. Noch im 20. Jahrhundert wurden nicht ganz linientreue Werke katholischer Geistlicher mit Vorliebe in den Niederlanden gedruckt, da dort das IMPRIMATUR von den geistlichen Behörden leichter zu erhalten war als etwa in Rom.
Im Grunde setzt sich diese Indizwirkung des Ortes für die Einordnung von Büchern in bestimmte Entstehungs- oder Diskussionszusammenhänge bis heute fort. Nach einiger Lektüre "weiß man", daß Frankfurt am Main häufig auf Suhrkamp hinweist, daß Beck in München sitzt, daß Wien – Köln – Weimar für Böhlau steht und was das wiederum bedeuten kann. Das mag nicht jedermann überzeugen, doch wird jedermann sich wohl damit vorerst abzufinden haben.

Verlage werden hingegen von Historikern nicht angegeben, es sei denn, es kommt im Einzelfall aus inhaltlichen Gründen (etwa Druckgeschichten) auf den Verlag an. Eigentlich ist die Nichtangabe bedauerlich, denn das Wissen um den Verlag würde es erleichtern, sich unmittelbar um Titel zu bemühen. Und wie es beim Ort der Fall ist, verbinden Fachleute mit gewissen Verlagen recht genaue Erwartungen und Erfahrungen.

2. Die klassischen Probleme und: Wie werden Orte angegeben?
Die Ortsangabe stellt Verfasser von Arbeiten nicht selten vor weitere Probleme:

1. Es fehlt die Ortsangabe.
2. Es gibt mehrere Ortsangaben.
3. Die Ortsbezeichnung erfolgt in einer Fremdsprache.
4. Die Ortsangabe ist nicht eindeutig.

Es fehlt die Ortsangabe
Bei älteren Titeln kommt dies immer wieder vor.

  • Kann man den Ort sicher ermitteln, nennt man ihn je nach persönlicher Akuratesse in eckigen Klammern (damit zeigt man die eigene Ergänzung an) oder ohne weiteren Hinweis: [Wien] 1901
  • Ist man sich unsicher, hält eine Ortsangabe aber für sehr wahrscheinlich, kann man auch das anzeigen, etwa durch "vermutl." oder durch (?).
  • Kann man den Ort nicht ermitteln, zeigt man auch das an, was fast immer durch "o.O." geschieht, was bedeutet: "Ohne Ortsangabe".

Es gibt mehrere Ortsangaben
Sind mehrere Orte in der Publikation genannt, ist zunächst zu differenzieren, ob es sich bei den Orten um
1. mehrere Sitze verschiedener Verlage handelt (sehr selten) oder ob es sich um
2. mehrere Sitze eines Verlages handelt (Regelfall).

1. Im ersten Fall werden von einigen die Verlagsorte durch Komma getrennt: London, Wien.

2. Meistens aber handelt es sich um verschiedene Sitze eines Verlages.
Auch hier gibt es je nach Akuratesse oder persönlichen Vorlieben verschiedene Handhabungsweisen. Nur die wenigsten Autoren geben aber mehr als drei Verlagsorte an, einige verzichten bei mehreren Orten auf die Nennung von mehr als einem Ort.
Werden mehrere Verlagsorte aufgeführt, stehen diese bei einigen Autoren unverbunden nebeneinander, bei anderen werden Bindestriche eingefügt, andere benutzen Schrägstriche, nur sehr selten werden Kommas gesetzt (wegen 1.).

Das kann dann so aussehen:

Wien u.a.
Wien Köln Weimar
Wien – Köln – Weimar  (Dies dürfte die beliebteste Variante sein.)
Wien/Köln/Weimar

Die Ortsbezeichnung erfolgt in einer Fremdsprache
Dieser Fall bereitet oft große Schwierigkeiten, zumal man gerade bei amerikanischen Titeln oft erst ermitteln muss, ob überhaupt eine Ortsbezeichnung vorliegt.

Bei “Hinsdale III.” werden nicht wenige erst einen Atlas konsultieren müssen, um darauf zu kommen, dass es sich nicht um einen mysteriösen Dynasten handelt, sondern um die schöne Ortschaft Hinsdale in Illinois, USA. Oder nehmen Sie Peru, Glencoe, Ithaca (Odysseus stand hier allenfalls Pate), Jefferson und Lincoln. Ich hatte die immer für Länder, Rätsel, Inseln oder amerikanische Präsidenten gehalten. Mehr muss man kaum sagen.
Oder was machen Sie mit “Augusta Treverorum”, wenn Sie in der Lateinstunde gerade verhindert waren?

Man sieht, hier sind Hilfestellungen für den Leser erforderlich.

  • Kaum bekannte Verlagsorte in den USA und/oder solche, die leicht mit englischen verwechselt werden können, erhalten daher oft als Zusatz die Bezeichnung des amerikanischen Bundesstaats. Mit Peru Ill., Glencoe Ill., Ithaca N.Y., Jefferson N.C. oder Lincoln Nebr. wird man im Zweifel weit mehr anfangen können.
  • Nachschlagen kann man diese Ortsbestimmungen zum Beispiel in diesem Word-Dokument.
     

  • Lateinische Ortsangaben werden in der Regel übersetzt, aus Augusta Treverorum wird so ganz prosaisch Trier. Nachsehen kann man die Orte in dem lateinischen Ortsnamensbuch, z.B. in:
    Graesse, Johann Georg Theodor / Benedict, Friedrich: Orbis Latinus: oder Verzeichnis der wichtigsten lateinischen Orts- und Ländernamen.
    Verschiedene Ausgaben befinden sich in der UB. Signaturen: gsa 5:cb/ g71(4); lat 435/ g72a; inf 815:a/ g71.

Die Ortsangabe ist nicht eindeutig
Haben Sie schon einmal nachgesehen, wieviele Orte mit dem Namen Wangen es gibt? Oder Neustadt? Oder Frankfurt? Oder Freiburg? Oder Cambridge?

Auch in diesem Fall wird dem Leser gern geholfen, auch hier gibt es jedoch nur Leitlinien.

  • Bei nicht eindeutigen ausländischen Verlagsorten wird regelmäßig der Bundesstaat angegeben: So etwa bei Cambridge Mass.
  • Frankfurt am Main wird von einigen schlicht als Frankfurt angegeben, von anderen als Frankfurt am Main, als Frankfurt a.M. oder Frankfurt/M etc.  Erstere schreiben dann bei Frankfurt an der Oder die geographische Bestimmung hinzu. Man kann das als Diskriminierung betrachten.
  • Politisch heikel ist die Behandlung von Ost- und Westberlin. Einige Autoren zeichnen Ostberlin als Berlin (Ost) eigens aus. S.o.
  • Bei zusammengesetzten Ortsnamen werden alle Bestandteile genannt, so etwa Stuttgart-Bad Cannstatt.