4.3.2.8

1. Warum werden Erscheinungsjahre bzw. Auflagen angegeben?

2. Die klassischen Probleme und: Wie werden Erscheinungsjahre und Auflagen angegeben?

1. Warum werden Erscheinungsjahre angegeben?
Der Grund für die Angabe des Erscheinungsjahres ist leichter einzusehen als der für die Ortsangabe. Arbeitet man sich in ein Thema ein, wird man geneigt sein, die verschiedenen Auffassungen zu ordnen und dabei feststellen, dass Texte aufeinander Bezug nehmen und in Beziehung zu sonstigen zeitgenössischen Diskursen stehen. Weiß man, wann ein Text erschienen ist, weiß man etwas über die Umstände seiner Entstehung, über die Möglichkeiten der Rezeption etc. Hinzu kommt, dass Bücher häufig mehrere Auflagen erfahren und dabei auch Veränderungen vorkommen. Das Erscheinungsjahr zusammen mit der Angabe der Auflage ermöglicht dann erst die genaue Überprüfung von Belegen. Daher ist die Angabe des Erscheinungsjahres wichtig – sowie die Kenntnis des Jahres der ersten und jüngsten (meist benützten) Auflage.

Je älter Texte sind, desto seltsamer mutet indes die Angabe eines Erscheinungsdatums an. Wenn Sie etwa lesen: "Aristoteles (1973)" könnten Sie auf falsche Gedanken kommen. Oder nehmen Sie Vergils posthum erschienene Aeneis (1977). Da ist es überzeugender, wenn man schreibt:
P. Vergili Maronis: Aeneidos. Liber Sextus. [ed. R.G. Austin]. With a commentary by R.G. Austin, New York 11974.

Vergili Maronis, Aeneidos

Das häufigere Vorkommen alter Texte in geschichtswissenschaftlichen Arbeiten ist eines der überzeugenderen Argumente gegen die im englischen üblichere Kombination von Autor und Erscheinungsjahr: "Schlögl (2001)" macht ja noch Sinn, aber "Aristoteles (1973)"? Dazu aber unten mehr.
Die einfache Angabe des Erscheinungsjahres macht scheinbar nur Sinn, wenn es Buchdruck und einen Verlagsort im heutigen Sinne gibt. In allen anderen Fällen ist die Bestimmung des Jahres, in dem eine Schrift zu zirkulieren begann, oft selbst ein Forschungsproblem, das man dann auch angemessen im Satz darstellen sollte.

Deshalb zählt man bei den Auflagen auch nicht alle Auflagen seit der Erstscheinung durch (wo wäre man da bei Aristoteles heute?), sondern berücksicht Auflage/Erscheinungsjahr immer in bezug auf einen Verlag bzw. Verlagsort.

2. Die klassischen Probleme und: Wie werden Erscheinungsjahre angegeben?

Die Hauptprobleme sind:

2.1 Es fehlt die Jahresangabe.
2.2 Es gibt mehrere Jahresangaben bzw. Auflagen und auch noch Zusätze.
2.3 Neudrucke.

Für Zeitschriften siehe oben. 

2.1 Es fehlt die Jahresangabe.
Einige Bücher weisen keine Angabe eines Erscheinungsjahres auf.

In diesen Fällen versucht man, das Erscheinungsjahr zu ermitteln. Einen Hinweis gibt oft das mit einem Datum versehene Vorwort oder das in der Publikation angegebene Datum einer Promotion. Eine solche Bestimmung ist freilich nur approximativ. Eine Hilfe sind auch die Informationen der Gesamtdruckverzeichnisse. Daher macht man die Eigenrecherche bzw. seine Zweifel deutlich:

ca. 1994
[ca. 1994]
(ca. 1994)
[1994?]
[ca. 1994?] 


Ist das Jahr nicht ermittelbar oder nur sehr ungenau, kann man auf die Angabe eines Erscheinungsjahres verzichten und schreibt nur: "o.J."

2.2 Es gibt mehrere Jahresangaben bzw. Auflagen und auch noch Zusätze...

Die technische Entwicklung des Buchdrucks hat es mit sich gebracht, dass in der Gegenwart ein Nachdruck in der Regel nicht mehr neu gesetzt werden muss und von daher unveränderte Nachdrucke möglich und auch häufig sind. Da dies nun oft billiger ist als das Drucken einer großen Auflage, auf der die Verlage oder Händler dann jahrelang herumsitzen, werden Auflagen immer kleiner und, wenn es lohnend erscheint, ohne Veränderungen nachgedruckt.
Das war in den Zeiten des Bleisatzes anders. Ein Buch, das neu gedruckt werden sollte, musste auch neu gesetzt werden, veränderte also sein Erscheinungsbild. Bei der Gelegenheit kam es häufig zu inhaltlichen Änderungen und Überarbeitungen.
Es leuchtet ein, dass bei diesen beiden Gruppen die Jahresangabe und die Angabe der jeweiligen "Auflage" unterschiedlich wichtig ist, dass die Notwendigkeit einer präzisen Angabe in der Vergangenheit aber eine Tradition begründet hat, nach der auch Jahresangaben möglichst präzise erfasst werden.

Nähern wir uns den Problemen über eine Reihe von Beispielen an.

  1. Erste Auflage
  2. Höhere Auflagen – und was passiert dann mit der Erstauflage?
  3. Zusätze
  4. Hinweise auf Textergänzungen
  5. Nachdrucke
  6. Neudrucke

A. Erste Auflage
Bei diesem Titel ist alles klar: Das Buch erschien 1993 in erster Auflage. Das kann dann so aussehen:

Ronald G. Asch: Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz und Patronage 1625-1640 (Norm und Struktur, Bd. 3), Köln Weimar Wien 1993

Einige verlangen stets eine ausdrücklich Nennung der Auflage, was dann zu diesen Angaben führen kann:
1. Auflage 1993
1. Aufl. 1993
11993

Roland Asch Roland Asch

B. Höhere Auflagen – und was passiert dann mit der Erstauflage?
Es ist hieran unschwer zu erkennen, wie höhere Auflagen bezeichnet werden. Die Klassiker sind wiederum:
2. Auflage 1993
2. Aufl. 1993
21993

Werden höhere Auflagen benutzt, wird von einigen zusätzlich die Angabe der Erstauflage gefordert. Das kann im Einzelfall Sinn machen, stößt aber auf Widerstände im Bereich Layout und Aufwand. Auch kann es sachlich fragwürdig oder sehr schwierig sein, etwa im Falle von sehr alten Texten oder Übersetzungen. Man kann dann die originalsprachliche oder aber die erste übersetzte Auflage zitieren. Vgl. dazu dieses schöne Beispiel einer
langen Druckgeschichte des Buches “Laws of Form” von George Spencer-Brown.
Wenn die erste Auflage aber beispielsweise für die Beschreibung eines Forschungsstandes oder für eine Rezeptionsanalyse wichtig ist, wird man man im Text darauf eingehen und dann einen Hinweis plazieren – wahlweise im Text oder im Literaturverzeichnis.

C. Zusätze
Nun beginnen die Schwierigkeiten. Die erste Schwierigkeit sind Zusätze. Neu aufgelegte Texte sind ja mitunter verändert, überarbeitet, verbessert usw.. Das wird sehr gern angegeben, denn es ist ein Hinweis auf Verbesserungen, die die Anschaffung der neuen Auflage motivieren können.

Die zehnte Auflage dieses Buches wurde offenbar überarbeitet, und von vielen wird verlangt, dass solche Angaben auch in der Angabe des Titels auftauchen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, außer, dass derlei Zusätze mitunter sehr lang werden können. In dem Beispiel geht es noch:

10. überarbeitete Auflage 1993
10. überarbeitete Aufl. 1993
10. überarb. Auflage 1993
10. überarb. Aufl. 1993

101993
    Dieses Modell, so schön es ist, stößt hier an seine Grenzen.
10. überarbt. 1993  Eine solche Angabe vermag ästhetisch nicht zu überzeugen, so dass, wenn man dieses Layout wählt, bei Zusätzen zum Wechsel gezwungen ist, was aus Einheitlichkeitsgründen viele ebenfalls nicht überzeugen wird.

Je mehr Zusätze kommen, desto mehr wird gekürzt. Hat man eine überarbeitete und verbesserte Auflage, finden sich häufig nur Puristen bereit, dies im Volltext wiederzugeben, die meisten kürzen, viele lassen auch unwesentlich erscheinende Angaben weg.

16. durchgesehene und ergänzte Auflage 1993
16. durchgesehene und ergänzte Aufl. 1993
16. durchges. und erg. Auflage 1993
16. durchges. und erg. Aufl. 1993
16. erg. Aufl. 1993
Das letztgenannte Modell dürfte der Favorit sein. Das Argument: Wenn die Auflage ergänzt wurde, wurde sie wohl auch durchgesehen.

D. Hinweise auf Textergänzungen
Hinweise auf Textergänzungen, die im Titel auftauchen und einen engen Bezug zur Auflage haben, werden in der Regel im Titel angegeben.

Niklas Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisation. Mit einem Epilog 1994 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 20), 5Berlin 1999

E. Nachdrucke
Moderne Drucktechnik erlaubt unveränderte Nachdrucke bereits erschienener Bücher, die keine neue Auflage darstellen. Diese zu erkennen und dann in eine anständige Literaturangabe zu übersetzen stellt oft eine große Schwierigkeit dar und nicht immer sind die Verlage so nett, ausführliche Texte dazu zu verfassen wie in dem Beispiel unten:

Paul Feyerabend, Wider den Methodenzwang

Ausschnitt aus der Impressumsseite von: Feyerabend, Paul: Wider den Methodenzwang, Frankfurt am Main, 51995.

Da hat man also gegenüber der Auflage von 1983 keine Veränderungen. Trotzdem heißt es dort: 5. Auflage 1995. Die erste Auflage aber erschien bei Suhrkamp erst 1986, während die Rechte wohl von 1976 herrühren.
Was nun? Es gibt zwar die Regel, in solchen Fällen den letzten Nachdruck mit bloßer Jahreszahl anzugeben. Andere aber werden hervorheben wollen, dass das Buch seit 1983 unverändert ist, wieder andere, dass ja der Verlag die Erstausgabe nach eigener Darstellung erst 1986 lanciert hat, andere werden sich freuen, dass sie die 5. Auflage angeben und damit zeigen können, dass sie auf der Höhe der Zeit sind.

Herauskommen kann etwa folgendes:

Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang, Frankfurt am Main 51995
Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang, Frankfurt am Main 1995
Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang, Frankfurt am Main 51995 (11986)

F. Neudrucke
Als Neudrucke werden fotomechanische Nachdrucke oder Faksimiles bezeichnet, also Ausgaben, in denen das Schriftbild des Originals erhalten bleibt.

In diesen Fällen werden die Neudrucke in der Regel direkt nach der Ausgabe angegeben, von der sie hergestellt wurden. Zudem wird angegeben, dass und um welchen Neudruck es sich handelt. Der Terminus "Neudruck" wird häufig durch ND oder repr. abgekürzt.
Auch die jeweilige Auflage des Neudruckes selbst wird mit Erscheinungsjahr und Ort angegeben.

Im Detail kommen wieder verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten vor. So kann man, wenn der Veranlasser des Neudrucks nicht kommentiert, es bei hg. oder ed. belassen.
Veränderungen gegenüber dem Original (etwa Bandeinteilungen) werden angegeben.

Ein Beispiel als pdf-Datei: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen, Berlin 1728, hg. und kommentiert von Gotthardt Frühsorge, ND Weinheim 1990.