Marcus Sandl, Universität Konstanz

Das Geschichtsstudium beginnt in der Regel mit einer Orientierungsphase, in der man über den Gegenstand der Geschichte, ihre wissenschaftlichen Methoden sowie die Voraussetzungen und Anforderungen des Studiums selbst noch wenig weiß. In dieser Orientierungsphase ist es sinnvoll, eine einführende Darstellung in die Geschichtswissenschaft zu lesen.

Solche Einführungen existieren, seitdem sich die Geschichte im späten 18. Jahrhundert von anderen Formen der individuellen und kollektiven Erinnerung getrennt und als wissenschaftliche Disziplin etabliert hat. Die Erkenntnis der Vergangenheit wurde zu dieser Zeit an allgemeingültige Verfahrensweisen und methodische Standards gebunden, die gesichert und weitergegeben werden mussten. Berühmte Historiker des 19. Jahrhunderts wie Leopold Ranke, Johann Gustav Droysen und Jacob Burckhardt beschäftigten sich mit den theoretischen Voraussetzungen des Geschichtsstudiums.
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Ranke

Leopold v.Ranke,
1795-1886.

Seitdem hat sich die Geschichtswissenschaft erheblich verändert. Es ist zur Ausdifferenzierung unterschiedlicher Forschungsfelder sowie zur Pluralisierung der Forschungsansätze gekommen. Die frühen Einführungen in die Geschichte bieten somit vor allem einen wichtigen Einblick in die Geschichte der Geschichtsschreibung.

Aber auch die neueren Darstellungen spiegeln wissenschaftsgeschichtliche Entwicklungen, unterschiedliche Ansätze des historischen Arbeitens und verschiedenartige Erkenntnisinteressen wider. Im Folgenden sollen wichtige Einführungen - eine vollständige Erfassung ist angesichts der großen Menge nicht möglich - unter dem Gesichtspunkt der studiumsorientierten Auswahl und gewinnbringenden Lektüre vorgestellt werden. Unterscheiden lassen sich dabei vier Arten von Lehrbüchern. Zu behandeln sind
erstens Darstellungen, die einen theoretischen Begriff der Geschichte explizieren und das Geschichtsstudium somit auf seine Voraussetzungen - den Sinn und die Leistungen des ‘Geschichtswissens’ - zurückführen.

Einen
zweiten Komplex stellen die Lehrbücher dar, die sich ganz konkret mit dem Studienfach und dem Studium in seinen Grundlagen, Verlaufsformen und Anforderungen beschäftigen. Davon unterscheiden sich drittens Kompendien, die ihren Zugang zum Thema über den Aspekt des Gegenstandes des historischen Arbeitens - der Quelle - wählen und historische Arbeitsweisen und Hilfswissenschaften in den Mittelpunkt stellen. Einen vierten Typus der Einführung stellen schließlich Abhandlungen dar, deren Ziel es ist, unterschiedliche Geschichtsauffassungen, Methoden und Arbeitsrichtungen nebeneinander zu stellen und somit die Pluralität historischer Zugänge zu verdeutlichen. Dieser Typus ist erst in jüngerer Zeit entstanden. Er verzichtet im Gegensatz zu den drei anderen auf einen normativen Begriff von Geschichte bzw. Geschichtswissenschaft.

 1 Vgl. dazu u.a. die Texte in Wolfgang Hardtwig (Hg.): Über das Studium der Geschichte, München 1990.

 

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