Wirtschaftsarchive

 

Unter Wirtschaftsarchiven versteht man Institutionen, die sich speziell mit den Überlieferungen zumeist privatwirtschaftlicher Unternehmen beschäftigen. Sie sichern, erschließen und werten firmenhistorisch bedeutsame Unterlagen wie Schriftdokumente, Fotos, Filme, Werbematerial, Publikationen etc. aus.

Historisch sind sie vergleichsweise junge Einrichtungen, die infolge der Industrialisierung sowie einem zunehmenden Interesse der Geschichtswissenschaft an sozialen und wirtschaftlichen Prozessen seit etwa der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden sind.

Am Anfang stand die Gründung erster privater Unternehmensarchive - 1905 bei Krupp, 1907 bei Siemens und Bayer -, die bis heute einen Großteil der Wirtschaftsarchive ausmachen. Anfangs waren sie v.a. als Servicestellen für das jeweils eigene Haus gedacht. Mittlerweile nehmen sie jedoch auch einen festen Platz innerhalb der historischen Forschung ein. Bei der Nutzung dieser  Einrichtungen ist zu beachten, daß sie in der Regel als Privatarchive eingerichtet sind, d.h. Öffentlichkeit, Zugriffsrechte oder Nutzungsmöglichkeiten können von den Firmen selbst festgelegt und möglicherweise eingeschränkt sein.

Neben den Archiven einzelner Unternehmen bestehen regionale Wirtschaftsarchive als eine Art Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Unternehmen können zur Abgabe oder Pflege ihrer Überlieferungen nicht gezwungen werden. Es gilt der Grundsatz der Freiwilligkeit. Besonders kleine und weniger traditionsreiche Unternehmen wollen oder können sich aber kein eigenes Archiv leisten. Damit deren Bestände trotzdem erhalten und erschlossen werden können, gab es die Idee, deren Archivgut von öffentlicher Hand kostenfrei zu übernehmen und in regionalen Wirtschaftsarchiven einlagern zu lassen. 1906 entstanden als erste das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv in Köln und das Südwestdeutsche Wirtschaftsarchiv in Saarbrücken. Heute gibt es bundesweit sechs Regionalarchive (Köln, Dortmund, Stuttgart-Hohenheim, Darmstadt, München und Leipzig). Sie stehen in engem Kontakt mit den jeweiligen Industrie- und Handelskammern und ihre Nutzung ist in Landesarchivgesetzen geregelt.

Eine dritte Gruppe bilden die Branchenarchive, die ähnlich wie die regionalen Wirtschaftsarchive verfaßt sind. Sie sind jedoch nicht regional sondern sachlich-fachlich organisiert, also auf einen speziellen Wirtschaftszweig bezogen. Das erste derartige Archiv wurde 1969 mit dem Bergbau-Archiv in Bochum verwirklicht.

Sonderbedingungen gelten für die Überlieferungen der staatseigenen DDR-Wirtschaft. Alle Volkseigenen Betriebe (VEB) waren zur Einrichtung eigener Archive verpflichtet worden. Diese riesigen Bestände wurden nach der Wiedervereinigung und der damit verbundenen Privatisierung unterschiedlich behandelt. Grundsätzlich besteht ein Besitzanspruch der privaten Nachfolgeunternehmen an ihren Archivalien, faktisch wurden nur sehr wenige eigene Unternehmensarchive gegründet (z.B. Zeiss Jena). Stattdessen wurden die Bestände zum Teil in die Staatsarchive der neuen Bundesländer überführt, zum Teil liegen sie in Regionaldepots der DISOS GmbH, einer Nachfolgeinstitution der Treuhandanstalt. Mittlerweile wurde in Leipzig auch ein erstes ostdeutsches regionales Wirtschaftsarchiv gegründet und damit die westdeutsche Organisationstradition übertragen.

 

Armin Müller

 

Adressen:

Regionale Wirtschaftsarchive

 

    1. Bayerisches Wirtschaftsarchiv, München: http://www.muenchen.ihk.de/service/wirtarch.htm

    2. Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Köln: http://www.ihk-koeln.de/archiv/index.htm

    3. Sächsisches Wirtschaftsarchiv, Leipzig: http://www.swa-leipzig.de/

    4. Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Dortmund http://www.archive.nrw.de/home.asp?wwa-dortmund

    5. Stiftung Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart/Hohenheim: http://www.uni-hohenheim.de/i3v/00000700/00386041.htm

    6. Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare: http://www.wirtschaftsarchive.de

 

Literaturempfehlung:

Kroker, Evelyn et al. (Hg): Handbuch der Wirtschaftsarchive. Theorie und Praxis, München 1998.